Gefängnispersonal hat sich sich selber eingesperrt, um sich vor Tätlichkeiten der Häftlinge zu schützen. Ratten und Kakerlaken hatten freie Bahn. Der penetrante Dunst von Drogen zwang Hilfskräfte, Gefängnisräume zu verlassen. Die Häftlinge hatten ungehinderten Zugang zu Gebäudeteilen, die eigentlich hermetisch abgeschlossen sein sollten.
Diese Bilanz des Überraschungsbesuchs des Gefängnisinspektorates hat den beispiellosen Schritt der britischen Regierung ausgelöst: Das Gefängnis von Birmingham wurde mit sofortiger Wirkung aus der Kontrolle der Privatfirma «G4S» entfernt und in staatliche Hände gelegt. Das soll für mindestens sechs Monate gelten – bis die Wärter wieder die Kontrolle erlangt haben.
«G4S» kommt immer mal wieder in die Schlagzeilen, erhält aber trotzdem immer neue Regierungsaufträge. Während den olympischen Spielen vor sechs Jahren in London mangelte es an Personal. Ein andermal verrechnete die Firma dem Staat überhöhte Gebühren. Doch ein grundsätzliches Umdenken ist nicht geplant. Minister wiesen mehrfach darauf hin, dass das Unternehmen andere Gefängnisse zur allgemeinen Zufriedenheit betreibe. Das scheint hinreichend zu sein.
Für jede Glühbirne eine Rechnung
Es ist ein schlechtes Jahr für die privatisierten Teile des britischen Service public. Im Januar schlitterte Carillion in die Zwangsverwaltung; eine Bau- und Wartungsfirma, die zahlreiche staatliche Aufgaben erfüllt – oder erfüllen sollte.
Im Juni übernahm das britische Transportministerium die Eisenbahnlinie von London nach Edinburgh, weil der private Betreiber Virgin zu wenig Geld damit verdiente. Und das gesamte Gesundheitswesen ächzt unter den jährlichen Zahlungen an Privatfirmen, die einst im Auftrag des Staates die Spitäler bauten und nun für jede kaputte Glühbirne eine saftige Rechnung stellen.
Beim langsamen Abstieg des Gefängnisses von Birmingham, wo Ende 2016 schlimme Krawalle ausgebrochen waren, spielte die staatliche Sparpolitik der letzten zehn Jahre bestimmt eine entscheidende Rolle. Andernorts regiert das Dogma, der Privatsektor arbeite billiger und effizienter. An Beweisen für das Gegenteil herrscht kein Mangel, aber der Tanz ums goldene Kalb geht weiter.