Die Verurteilung des ehemaligen bosnischen Serbenführers Radovan Karadzic durch das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag stösst international auf Zustimmung. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach von einem «historischen Tag für die Völker in der Region und für die internationale Justiz.» Das Urteil signalisiere all jenen, die Verantwortung tragen, dass sie für ihre Taten zur Verantwortung gezogen würden.
Ähnlich äusserte sich der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein: «Dieses Urteil ist eine kräftige Manifestation des unerbittlichen Bekenntnisses der internationalen Gemeinschaft, Täter zur Verantwortung zu ziehen», sagte er in Genf. Zufrieden mit der Verurteilung von Karadzic gab sich auch Chefankläger Serge Brammertz. «Das Gericht erkannte seine individuelle Schuld an», sagte er nach der Urteilsbegründung.
Auch der Präsident der Sozialdemokraten Bosnien und Herzegowinas, Nermin Niksic, begrüsste das Verdikt des Tribunals: «Karadzic wird in die Geschichte eingehen als einer der grössten Verbrecher», sagte er.
Sondersitzung der serbischen Regierung
Karadzics frühere Partei SDS dagegen kritisierte das Urteil in einer ersten Reaktion. Präsident Mladen Bosic hofft, dass im Berufungsprozess «das Unrecht korrigiert wird». Es sei Tatsache, dass fast alle (Kriegs-)Verbrecher am serbischen Volk unbestraft geblieben seien.
Die serbische Regierung berief für Karfreitag eine Sondersitzung zum Urteil ein. Präsident Tomislav Nikolic sagte in einer ersten Reaktion, das Urteil dürfe keinen Einfluss auf das Bestehen der serbischen Teilrepublik Srpska in Bosnien und Herzegowina haben. Sein Land werde von seinem Recht, deren Überleben zu verteidigen, Gebrauch machen.
SRF-Südosteuropa-Mitarbeiter Walter Müller: So wird das Urteil in Serbien aufgenommen
«In Serbien wird das Urteil gegen Karadzic mit grossen Zweifeln und viel Skepsis aufgenommen. Nach wie vor hält die Mehrheit der Bevölkerung das Haager Tribunal für antiserbisch, da die Mehrheit der Angeklagten und Verurteilten bosnische Serben sind. Sie empfindet das Urteil gegen Karadzic als einen zusätzlichen antiserbischen Beweis. Kommt hinzu, dass das Haager Tribunal wenig Gespür zeigte, als es den heutigen Tag für die Urteilsverkündung auswählte. Denn heute vor 17 Jahren begann die Nato-Bombardierung in der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien. Für die gesamte serbische Bevölkerung war die 78 Tage dauernde Bombardierung im Frühjahr 1999 eine extreme Beleidigung. Serbien sieht sich immer noch als Prügelknabe der Internationalen Gemeinschaft. Die Urteilsverkündung an diesem Jahrestag verstärkt die nationalistischen Gefühle nur. Vor allem bosnische Serben werden Karadzic auch nach dem Urteil als Kriegshelden feiern. Wichtig ist die Verurteilung Karadzics in erster Linie für die Opfer und Hinterbliebenen in Bosnien, die dadurch endlich ein Minimum an Genugtuung erhalten. Die grossen Leidtragenden waren vor allem die Muslime aber auch die Kroaten in Bosnien-Herzegowina. Entscheidend ist auch, dass das Haager Tribunal festhält, was im Bosnienkrieg zwischen 1991 und 1995 passiert ist. Es gibt nun Beweise für den Völkermord, für Vertreibungen, für Vergewaltigungen und ethnische Säuberungen. Revisionisten können nun nicht einfach mehr das Gegenteilbehaupten. Zu hoffen ist, dass die Befunde des Tribunals eines Tages auch in den Geschichtsbüchern der Staaten Ex-Jugoslawiens zu finden sein werden.» |