Wer auf dem Needles Point Overlook im Bears Ears Monument steht, kann gar nicht anders als begeistert sein. Weit geht der Blick über schroffe Canyons und bizarr geformte Sandsteinfelsen; Wind bläst über eine schier endlose, kupferrote Steinwüste, nur spärlich bewachsen mit Wüstensalbei und vereinzelten Wacholder-Sträuchern; in der Ferne glitzert ein Fluss.
Bruce Adams kennt diese Landschaft wie wenig andere. Der 68-jährige Viehzüchter ist am Rand von Bears Ears geboren und aufgewachsen. Hier will er dereinst auch begraben werden – so wie vier Generationen seiner Familie vor ihm. Die Viehzucht sei Teil seiner DNA und auch die Liebe zur fast menschenleeren Landschaft hier: Sie soll geschützt, aber auch genutzt werden.
«Siehst Du die Wege da unten? Da wollen Leute mit ihren Offroad-Fahrzeugen Spass haben, sie wollen campen, wandern, klettern – und der Besitzer der Ranch dort am Horizont? Er braucht Zugang zu seinen Feldern und Tieren.» Auch eine karge Gegend hat Geschäftspotential. Jedenfalls aus Sicht eines weissen Ranchers, einen Nachfahren der Mormonen-Pioniere, die Ende des 19. Jahrhunderts in diese Gegend vordrangen und es zu ihrem Land Zion machten, dem Wohnsitz Gottes.
Dass Präsident Barack Obama Ende letzten Jahres Bears Ears zum National Monument erklärt hat, einer Art Vorstufe zu einem Nationalpark, sei erstens unnötig und zweitens übergriffig, schimpft Bruce. Er ist überzeugt: Die Leute vor Ort wissen besser mit dem Land umzugehen als irgendwelche Beamte in Washington. So wie Bruce sieht es die Mehrheit der weissen Bevölkerung von Süd-Utah. Bruce ist als Mitglied der Bezirksregierung einer ihrer Wortführer. Als US-Präsident Donald Trump in der vergangenen Woche ankündigte , dass das Schutzgebiet Bears Ears künftig um 85 Prozent kleiner sein soll, stand Bruce in der ersten Reihe.
In einem National Monument gelten zwar traditionelle Weiderechte weiterhin, aber neue Nutzungen, etwa um Bodenschätze auszubeuten, sind nicht erlaubt. Die Umsetzung der Vorschriften überwacht die bundeseigene Parkverwaltung. Darin wirkt auch die Koalition Utah Diné Bikeya mit. Es handelt sich dabei um eine Vereinigung von fünf Indianerstämmen: Navajos, Hopi, Zuni und zwei Stämme der Ute.
Anders als die weisse Bevölkerung freuten sich die Native Americans, wie die Indianer hier genannt werden, als Obama Bears Ears zum National Monument erklärte.
Utah Diné Bikeyah will das Land und die Kultur der Vorfahren beschützen. «Hier in Bears Ears gibt es viele heilige Stätten», sagt Tara Benally. Die 44-jährige Mutter von neun Kindern ist eine Diné, wie sich die Navajos selber nennen. Übersetzt heisst das schlicht: ein Mensch. Aufgewachsen ist sie im 1868 den Navajo zugewiesenen Reservat, dem grössten in den USA. Es ist mehr als eineinhalb mal so gross wie die Schweiz – und doch nur ein Bruchteil des früheren Siedlungsgebietes.
Auch durch Bears Ears, gleich nördlich der Reservatsgrenze, zogen einst die Navajo-Nomaden mit ihren Schafen, hier sammelten sie Feuerholz, pflückten Beeren und Kräuter, trotzten der Dürre im Sommer und dem Schnee im Winter. Hier lebten und überlebten ihre Vorfahren, sagt Tara, hier fühle sie sich mit ihnen verbunden. Dieses Gebiet gelte es zu schützen und zu respektieren.
Es gibt viel zu schützen auf diesem abgelegenen Flecken Erde: Einstige Ackerflächen – vor vielen hundert Jahren der unwirtlichen Felswüste abgetrotzt – Grabstätten, Felszeichnungen, Ruinen von Höhlenwohnungen und Beobachtungstürme: Pueblo-Indianer haben diese Türme gebaut, vor mehr als 1000 Jahren – und noch immer stehen mehrere von ihnen.
Der republikanische Kongressabgeordnete Rob Bishop ist Vorsitzender der Umweltkommission im Repräsentantenhaus. Bishop, ein älterer Herr mit Vorfahren aus der Schweiz, wirkt gemütlich; seine Aussagen jedoch sind klar und deutlich: «Es ist eine verdammte Lüge zu behaupten, die Teilstaaten könnten ihr Land nicht selber bewirtschaften», sagt er zu SRF. Das Gegenteil sei wahr, findet Bishop: Der Bund habe sich als komplett unfähig erwiesen, habe allein beim National Park Service ein Defizit von 17 Milliarden Dollar angehäuft, plus 13 Milliarden beim Land-Management.
Es ist eine verdammte Lüge zu behaupten, die Teilstaaten könnten ihr Land nicht selber bewirtschaften.
Dass jeder dritte Quadratmeter Land in den USA dem Bund gehört, ist aus Sicht von Rob Bishop ein kommunistisches Konzept und dass der allergrösste Teil dieses öffentlichen Landes im amerikanischen Westen liegt, ist für ihn eine Form von Kolonialismus. So werde die wirtschaftliche Entwicklung im Westen gebremst. Die Bundesregierung in Washington könne jederzeit ein Gebiet in Utah sperren, oder die Ausbeutung von Bodenschätzen verbieten – und das geschehe immer wieder.
Bishop und andere republikanische Politiker versuchen deshalb seit Jahren das öffentliche Land, das «Public Land», vom Bund auf die Teilstaaten zu übertragen. Bis jetzt ohne Erfolg, zu populär ist das Konzept von «Public Land» und zu eindeutig der Befund, dass konservative Staaten wie Utah, Wyoming, Idaho, oder auch Nevada den Landschaftsschutz nicht sehr ernst nehmen.
So schiesst sich Bishop auf ein neues Ziel ein: Er will den sogenannten Antiquities Act abschaffen. Dieses Gesetz aus dem Jahr 1906 gibt dem US-Präsidenten das Recht, Land in Bundesbesitz unter besonderen Schutz zu stellen, es zum National Monument zu erklären.
Bishop weiss den amtierenden Präsidenten Donald Trump auf seiner Seite. Zwar kann nur der Kongress, das Parlament, den Antiquities Act abschaffen, aber der Präsident höhlt ihn bereits aus. Statt neue Monuments zu gründen, wie seine Vorgänger, will er bestehende aufheben, oder mindestens drastisch verkleinern.
Und Utah ist sein Testgelände: Nicht nur das National Monument Bears Ears soll kleiner werden, auch Grand Staircase Escalante soll um die Hälfte schwinden. Ob das juristisch überhaupt geht, ist noch offen. Das werden Gerichtsverfahren klären müssen. Wenn Trump aber in Utah durchkommt, sind auch weitere Schutzgebiete gefährdet.
Für den Erhalt von «Public Land» setzt sich insbesondere die Outdoor-Industrie vehement ein. Von kleinen Trekking-Veranstaltern bis hin zu multinationalen Bekleidungs- und Ausrüstungsgiganten engagiert sich praktisch die ganze Branche. Land im öffentlichen Besitz sei die Grundlage für das Geschäft, begründen ihre Vertreter. Die «Outdoor Industry Association», der Dachverband der Freizeit-Industrie, hat sich in den letzten Jahren merklich politisiert und ein professionelles Lobbying aufgezogen. Die Wahl von Präsident Trump hat die Branche zusätzlich aufgeschreckt. Seither arbeiten Outdoor-Industrie und Umweltverbände noch enger zusammen.
Die dritten im Bunde sind die Ureinwohner. Jonah Yellowman, ein Stammesältester und spiritueller Berater von Utah Diné Bikeyah erklärt die Bedeutung von Bears Ears für sein Volk: Im Reservat hätten noch nicht einmal alle Bewohner Elektrizität in den Häusern. Bears Ears sei deshalb wichtig, um Feuerholz zu sammeln, aber auch um Beeren und Kräuter zu pflücken, vor allem aber um die heiligen Stätten zu besuchen.
Es ist die alte Geschichte des Westens: Die Weissen halten sich nicht an die Verträge.
Mit der Aufwertung von Bears Ears zum National Monument haben die Ureinwohner einen wichtigen Sieg errungen. Ein Sieg, der allerdings bereits wieder gefährdet ist. «Es ist die alte Geschichte des Westens: Die Weissen halten sich nicht an die Verträge.» Präsident Obama habe ein Gesetz unterschrieben, aber die Weissen würden es nicht respektieren.
Doch diesmal ist der Ausgang der Geschichte nicht so klar: Die Ureinwohner haben inzwischen eigene Rechtsanwältinnen, erfahrene Politiker und gewiefte Aktivisten in ihren Reihen; dazu kommt das Geld der Outdoor-Industrie und das politische Gewicht der in den USA starken Umweltverbände. Die ersten Klagen gegen die Lockerung des Schutzes von Bears Ears wurden denn auch bereits eingereicht.