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Sierra Leone beschliesst Verbot für Kinderehen
Aus Echo der Zeit vom 11.07.2024. Bild: Reuters/Mike Segar
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Kinderehen in Afrika Sierra Leone verbietet Heirat für Minderjährige

Der Präsident will mit harten Strafen gegen Kinderehen vorgehen. Diese sind in dem westafrikanischen Land weiterhin stark verbreitet. Gleiches gilt für weite Teile des Kontinents.

Worum geht es? Der westafrikanische Kleinstaat Sierra Leone hat ein Verbot für Kinderehen erlassen. Künftig sollen Personen, die ein Kind heiraten, mit bis zu 15 Jahren Haft oder einer hohen Geldstrafe bestraft werden. Auch den Personen, die einer Kinderehe zustimmen – etwa die Eltern der Betroffenen – drohen künftig mehrjährige Gefängnisstrafen. Menschen­rechts­organisationen sprechen von einem Meilenstein. Kinderehen sind in Sierra Leone weit verbreitet. Laut Unicef wird etwa jedes dritte Mädchen verheiratet, bevor es 18 Jahre alt ist. Im Land gibt es demnach insgesamt etwa 800'000 minderjährige Ehefrauen.

Wer steckt hinter dem Verbot? Der Präsident von Sierra Leone, Julius Maada, hat das Gesetz vorige Woche unterschrieben; damit ist es rechtskräftig. Das Parlament hatte dieses zuvor verabschiedet. «Die Mädchen in Sierra Leone müssen sich in einem Umfeld entfalten können, in dem sie geschützt, gleichberechtigt und befähigt sind», sagte Maada. Eine wichtige Fürsprecherin des Gesetzes war Fatima Bio, die First Lady von Sierra Leone. Im weiteren Sinne ist das Gesetz auch als Bestandteil der Bildungsoffensive der Regierung zu verstehen. Unter Präsident Maada investiert Sierra Leone – im Verhältnis zu anderen Ausgabeposten – so viel in die Bildung wie kaum ein anderer afrikanischer Staat.

Wie verbreitet sind Kinderehen in Afrika? Die Zahl der Kinderehen in Afrika ist rückläufig, aber weiterhin hoch. In keiner anderen Weltregion ist der Anteil der Mädchen, die vor ihrer Volljährigkeit verheiratet werden, höher. Knaben sind von Kinderehen deutlich seltener betroffen. Die Unterschiede zwischen den Ländern sind indes erheblich: Während etwa in Südafrika «nur» vier Prozent der minderjährigen Mädchen verheiratet werden, sind es in den meisten Sahel-Staaten deutlich über die Hälfte.

Welches sind die Folgen von Kinderehen? Eine Kinderehe raubt den betroffenen Mädchen ihre Kindheit und prägt oft das ganze Leben. Zahlreiche Studien belegen, dass Mädchen, die vor dem 18. Lebensjahr heiraten, eher von häuslicher Gewalt betroffen sind und seltener zur Schule gehen. Sie sind zudem mit höherer Wahrscheinlichkeit von extremer Armut betroffen und kämpfen öfter mit gesundheitlichen Problemen; nicht selten führen Kinderehen auch zu Traumata. Diese Nachteile wirken sich auch auf die nächste Generation aus: Kinder von sehr jungen Müttern haben in Afrika schlechtere Überlebens- und Bildungschancen.

Eine junge Frau aus Sierra Leone schaut in die Kamera. Sie wurde als Jugendliche verheiratet.
Legende: Kinderehe in Sierra Leone Naomi aus dem Kono-Distrikt in Sierra Leone wurde als Teenager verheiratet, weil ihre Eltern kein Geld hatten, sie in die Schule zu schicken. Keystone/Leo Correa

Reicht ein Verbot aus, um Kinderehen abzuschaffen? Nein. Entscheidend ist die Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen. Es gibt eine ganze Reihe von Ländern in Afrika, in denen Kinderehen zwar verboten, aber noch immer weit verbreitet sind. In Sierra Leone dürfte das Gesetz deshalb nur dann eine breite Wirkung haben, wenn es von weiteren Massnahmen begleitet wird, etwa von Aufklärungskampagnen. Gerade in ländlichen Regionen, in denen Kinderehen besonders verbreitet sind, dürfte viel Überzeugungsarbeit nötig sein. Zudem sind Kinderehen meist auch eine Folge der extremen Armut. Diese zu überwinden, ist zwangsläufig ein langwieriges Unterfangen. Nicht zuletzt weisen Kritikerinnen und Kritiker darauf hin, dass ein Verbot der weiblichen Genitalverstümmelung folgen müsse. Diese ist in Sierra Leone weit verbreitet und weiterhin legal; rund zwei Drittel aller jungen Frauen sind davon betroffen.

Echo der Zeit, 11.07.2024, 18 Uhr

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