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International Spaniens Politlandschaft wird umgepflügt

In Spanien sorgen sonst wenig beachtete Regional- und Gemeindewahlen für Nervosität. Grund dafür sind vor allem neue Parteien, die in Umfragen gut abschneiden. Die Traditionsparteien, die konservative Volkspartei (PP) und die Sozialistische Partei (PSOE), geraten unter Druck. Die wichtigsten Fakten.

1. Krise, Korruption und Demokratie – Themen, die alles dominieren

Die Ausgangslage der spanischen Gemeinde- und Regionalwahlen ist gegenüber früher sehr verändert: Als die Wirtschaftskrise in Spanien voll durchbrach, kam es 2011/12 zu Massenprotesten gegen eine inkompetente und durch und durch korrupte Politik, die sich über die echten Interessen der Bevölkerung hinwegsetzt. «Democracia real ya!» («Echte Demokratie jetzt!») war der Schlachtruf der Massen 2011/12.

Seither sind Korruption und Demokratie in Spaniens Politik Themen geworden, die alles andere überschatteten. Nach den Protestbewegungen sind neue politische Gruppierungen und Parteien aufgetreten, die in diesen Wahlen zu ihrem ersten grossen Test kommen und die etablierten Parteien arg bedrängen. Es ging damals, und es geht bei den Wahlen am 24. Mai um Alternativen zum vorherrschenden Zweiparteiensystem von Konservativen (PP) und Sozialisten (PSOE).

2. Konservative und Sozialisten sind angezählt

Die beiden grossen Parteien wirken verbraucht. Ihr Versagen auf der nationalen Bühne wird ihnen mindestens zum Teil auch in Regional- und Gemeindewahlen zum Verhängnis.

Den Sozialisten wirft man vor, die Krise verschlafen und nicht oder viel zu spät reagiert zu haben. Die Konservativen (PP), seit 2011 am Ruder, macht man verantwortlich für das Krisenmanagement: Die Arbeitslosigkeit stieg auf zeitweise über 25 Prozent und liegt heute noch bei etwa 23 Prozent. Zwar wächst die Wirtschaft Spaniens wieder, aber diese Karte der Konservativen sticht nicht, weil die breite Bevölkerung von der Erholung noch nichts spürt.

Belastend sind ausserdem für beide Parteien immer neue Korruptionsskandale. PP und PSOE werden nicht von der Bildfläche verschwinden, aber sie müssen beide mit grossen Verlusten rechnen.

3. Podemos und Ciudadanos mischen das Feld auf

Das Schreckgespenst der traditionellen Parteien (PP und PSOE) ist zunächst Podemos. Vor einem Jahr, bei den Europa-Wahlen am 25. Mai 2014, errang diese Links-Partei auf einen Schlag 8 Prozent der Stimmen und 5 Sitze im Europa-Parlament.

Die spanische Protestbewegung ist damit von der Strasse auf die politische Bühne gesprungen. Podemos legte schnell in allen Wahlumfragen zu und erreichte kurze Zeit später Spitzenwerte von über 30 Prozent.

Der Aufstieg schien zunächst unaufhaltbar. Aber es kam Konkurrenz auf: Ciudadanos (Bürger), eine Regional-Partei, die in Katalonien schon seit 2006 aktiv war, breitete sich landesweit aus. Und wächst in den Wahlumfragen seit Januar, so schnell wie letztes Jahr Podemos. Ciudadanos positioniert sich als Zentrumspartei und versucht so, das Wählerpotential der Konservativen und der Sozialisten anzugreifen. Podemos politisiert am linken Flügel und ist vor allem für die Sozialisten gefährlich.

4. Anwesende und Abwesende – wenn Erfolg zur Bürde wird

Der rasante Höhenflug überforderte Podemos zeitweise sehr. Die guten Resultate waren nur Umfrageergebnisse. Das Alltagsgeschäft sieht anders aus. Die schnelle Organisation gelang nicht überall. Es kam auch zu internen Streitereien. Die gibt es zwar in jeder Partei, aber die jungen Hoffnungsträger werden schärfer beobachtet.

Podemos tritt nur in den Regionalwahlen an. Bei den Gemeindewahlen beschränkt sich die Partei auf grosse Städte wie Madrid und Barcelona – und auch dort in Wahlbündnissen, nicht allein unter eigenem Namen. Die meisten übrigen (über 8000) Gemeinden lässt man aus. Man verzichtet auf zu schnelles Wachstum, das organisatorisch nicht zu bewältigen wäre.

Ciudadanos tritt mutiger auf und wird auch in vielen Gemeindewahlen vertreten sein, nicht allein in den Grossstädten. Ciudadanos profitiert sicher von deutlicher längerer Erfahrung als katalanische Regionalpartei. Sie dürfte auch dank Unterstützung aus Wirtschaftskreisen über vollere Kassen verfügen.

5. Politische Pakte – oder die Angst, die Unschuld zu verlieren

Der erste Test hat bereits stattgefunden. Andalusien wählte schon am 22. März. Die Sozialisten (PSOE) wurden in ihrer Hochburg stärkste Partei, verpassten aber die absolute Mehrheit. Die Konservativen (PP) stürzten ab, neu zogen Podemos und Ciudadanos ins Parlament ein. Um regieren zu können, brauchen die Sozialisten Unterstützung anderer Parteien.

Podemos und Ciudadanos stecken in einem Dilemma. Ihr politisches Kapital war bisher ihre Unverbrauchtheit und ihr klares Nein zum bisherigen Politbetrieb. Eine sozialistische Regierung zu tolerieren, wäre Wählerinnen und Wählern schwer zu erklären. Blockade und Unregierbarkeit aber ebenso. Andalusien hat jedenfalls, zwei Monate nach der Wahl, noch keine neue Regierung.

Nach den Wahlen vom 24. Mai dürfte es in vielen Regionen zu ähnlichen Schwierigkeiten kommen. Und auf der nationalen Bühne im Herbst ganz bestimmt. Die Traditionsparteien werden nicht untergehen, aber künftig wird keine politische Kraft in Spanien mehr allein regieren können. Macht muss verhandelt werden.

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