Russische Kampfjets haben ihre Luftangriffe in Syrien fortgesetzt. Laut einem Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau haben die Streitkräfte in der Nacht Stellungen der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) bombardiert.
Ein Vertreter des russischen Aussenministeriums gab derweil gegenüber der RIA News Agency bekannt, dass Russland nicht beabsichtige, der von den USA geleiteten Koalition gegen den Islamischen Staat beizutreten.
Zweifel an Russlands Angriffen gegen den IS
Im Westen werden immer mehr Zweifel laut, ob Russland tatsächlich den IS angreift – oder ob Moskau andere Ziele im Visier hat. Der US-Senator John McCain sagte in einem Interview mit dem TV-Sender CNN, zwei russische Luftschläge hätten ein CIA-Ausbildungslager der Freien Syrischen Armee in der Provinz Idlib getroffen.
Dieselbe Aussage machte ein Kommandant einer Rebellengruppe gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Er sagte, das Camp sei von 20 Raketen getroffen worden.
Der libanesische Sender al-Mayadeen TV berichtete ebenfalls von Angriffen russischer Kampfflugzeuge in jener Region. Schwerpunkt von mindestens 30 Angriffen sei die Stadt Dschisr al-Schughur gewesen, wo auch Verbände des Al-Kaida-Ablegers Nusra-Front stationiert seien, so der TV-Sender.
Russland wiegelt ab
Russland bestreitet, dass es in Syrien andere Ziele als die Terrormiliz Islamischer Staat angegriffen hat. «Die Gerüchte, wonach das Ziel der Luftschläge nicht der IS war, sind total unbegründet», sagte der russische Aussenminister Sergej Lawrow. Russland habe einzig interveniert, um «den Islamischen Staat und andere Terrorgruppen» zu bekämpfen.
Im Verlauf des Donnerstags räumte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow allerdings ein, dass sich die russischen Angriffe nicht bloss gegen den IS richten würden. Die Bombardements hätten auch andere bekannte Islamistenorganisationen zum Ziel.
Angriffe auf Bitte von Syrien hin
Moskau flog am Donnerstag den zweiten Tag in Folge Angriffe in Syrien. Putin hatte am Mittwoch auf Bitten der syrischen Führung die Luftangriffe im Bürgerkriegsland befohlen. Laut russischem Verteidigungsministerium hat Russland mehr als 50 Flugzeuge und Militärhubschrauber in Syrien stationiert und bereits mindestens 12 Stellungen des IS bombardiert.
Moskau und Washington haben sich darauf verständigt, sich zwecks einer besseren Koordination der Luftschläge in Syrien erneut zu treffen. Dies sagten die Aussenminister der beiden Länder, John Kerry und Sergej Lawrow, noch am Mittwochabend in New York.
Saudi-Arabien ist besorgt
Saudi-Arabien hat Russland aufgefordert, seine Luftangriffe in Syrien sofort zu stoppen. Die Regierung in Riad sei sehr besorgt über die jüngsten Militäreinsätze rund um die Städte Homs und Hama, sagte der saudi-arabische Botschafter Abdalla al-Muallimi am Mittwoch vor den Vereinten Nationen (UNO) in New York.
Die Angriffe hätten Regionen getroffen, in denen die Extremistenmiliz Islamischer Staat gar nicht präsent sei. Bei den Einsätzen seien zahlreiche unschuldige Menschen ums Leben gekommen, sagte der Diplomat dem saudischen Staatsfernsehen zufolge weiter.
Bodenoffensive von Iran und Hisbollah?
Auch die Nachbarn Syriens könnten allenfalls bald im Krieg mitmischen. So berichtete am Donnerstag die Agentur Reuters, dass der Iran Hunderte Kämpfer nach Syrien entsandt habe, um sich an einer syrischen Bodenoffensive in Rebellen-Gebieten im Norden des Landes zu beteiligen.
Und auch die libaniesische Hisbolla-Miliz mache sich für einen Einsatz bereit. Doch die Mitteilung, in der sich die Agentur auf libanesische Kreise beruft, konnte noch nicht breiter abgestützt werden.
Neben Russland sind der Iran und die Hisbollah die wichtigsten Verbündeten des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad.
Pascal Weber: «Komplexer Konflikt droht noch komplexer zu werden»
SRF-Korrespondent Pascal Weber erklärt zu Meldungen der Agentur Reuters, der Iran schicke Soldaten nach Syrien, dass der Iran mit Militärberatern, Offizieren und auch mit Kämpfern am Boden in der Region schon lange aktiv sei. Wie man aus Syrien hören könne, hätten die Iraner auf den Schlachtfeldern das Kommando übernommen. Inwiefern der Iran aber dabei sei, sein Engagement in Syrien auszuweiten, liege noch im Bereich von Spekulationen. «Klar ist», so Weber, «dass wenn es möglicherweise bald zu einer Bodenoffensive von Assad-Kräften kommt – dann werden die Iraner auf die eine oder andere Art und Weise beteiligt sein.» Grundsätzlich wolle der Iran seinen schiitischen Einflussbogen von Teheran über Bagdad und Damaskus bis in den Libanon nach Beirut verteidigen,erklärt Weber. Falls Teheran tatsächlich sein Engagement ausweite, dann hätte dies sicher eine noch viel schnellere Internationalisierung des Konfliktes zur Folge. Dann würden namentlich auch die sunnitischen Kräfte reagieren. Allen voran Saudi-Arabien, aber auch die Türkei. Die Türkei habe ja deutlich gemacht, so Weber, dass sie keine vollendeten Tatsachen an ihrer Grenze akzeptieren werde. «Das heisst, der heute schon sehr komplexe, komplizierte Konflikt würde noch viel komplexer, noch viel komplizierter.» |