Das AKW Mühleberg soll 2019 abgebaut werden. Wie es geht, zeigt ein Blick nach Deutschland. Im AKW Obrigheim ist man daran, die kritischen Teile zu zerlegen. Alles ferngesteuert.
98 Prozent des Materials, das in Baden-Württembergischen Obrigheim abgebaut wird, sei unproblematisch, sagen die Verantwortlichen. Es stammt von Nebengebäuden, von Einrichtungen, die nicht mit dem Kern der Anlage in Verbindung standen.
Dieser Kern, das Reaktorgebäude mit seiner runden Kuppel, steht noch immer mitten im Gelände. Das am höchsten radioaktive Material, die Brennstäbe, sind zwar schon entfernt. Der Reaktor aber, die Hülle, in welcher während drei Jahrzehnten Kernreaktionen abliefen, steckt noch drin. Ein rund 7 Meter hoher Kessel, mit vielen Innereien und mit einer umgebenden Betonhülle. Alles von Radioaktivität durchdrungenes Material, das nicht von Menschenhand zerlegt werden kann. Die Strahlung ist zu hoch.
Wasser schirmt die Radioaktivität ab
Deshalb wird der Reaktor ferngesteuert zerlegt und verpackt – von einem Nebengebäude aus. Im zentralen Leitstand, wird gelenkt, was im Reaktor nebenan geschieht. Der zentrale Leitstand besteht aus einer Art Kommandopult mit fünf Arbeitsplätzen, darüber zehn Bildschirme. Der für den Abbau zuständige Ingenieur Michael Hillmann erklärt: «Wir stehen hier vor dem Bedienpult für den sogenannten Geräteträger, die kleine, feine Hand im Becken.»
Dieser Geräteträger ist ein Roboterarm innerhalb des Reaktors. Er führt verschiedene Werkzeuge, mit denen alle möglichen Materialien zersägt werden können. Genauer zerschweisst, mit Temperaturen bis zu 3000 Grad. Und zwar mindestens 5 Meter unter Wasser. Denn das Wasser schirmt die Radioaktivität ab.
In der Leitzentrale werden auch Kameras bedient, damit man sieht, was man im benachbarten Reaktor schneidet. Hier wird zudem der Kran gesteuert, welcher die speziellen Verpackungskisten heranführt, in welche die zerkleinerten radioaktiven Teile hineingelegt und verschlossen werden.
Das Zerlegen an sich ist nicht die aufwändigste Arbeit
Man sei schon weit vorangekommen, sagt Jörg Michels. Er ist bei der Betreiberfirma EnBW verantwortlich für das gesamte Kernkraftgeschäft: «Die Einbauten dieses Reaktordruckbehälters, in dem früher die Brennelemente standen, sind bereits komplett zerlegt und verpackt. Ebenso der Deckel. Momentan finden die Vorbereitungsarbeiten statt, um noch im Verlauf dieses Jahres den Reaktordruckbehälter selbst komplett zu zerlegen.»
Technisch sei das kein grosses Problem, meint Ingenieur Hillmann. Die reinen Zersäge- und Verpackungsarbeiten am Reaktor dauerten für sich genommen «nur» etwa zwei Jahre. Viel aufwändiger seien das Planungs- und Bewilligungsverfahren. Michael Hillmann zeigt einige Computerdarstellungen von Details des Reaktors: «Wir haben den gesamten betroffenen Bereich von den zu zerlegenden Teilen – Reaktor und Einbauten – inklusive der Zerlegemaschinen und der Handhabungseinrichtung in 3D nachgebildet.» So konnte jeder Handgriff nachgespielt werden.
Jede Schneidebewegung, jede Verpackung für jedes Teil sei im Voraus geplant, vorgeschrieben und den Behörden zur Bewilligung vorgelegt worden. Auch Eventualitäten: Was muss geschehen, falls etwas schiefläuft? All das nehme sehr viel mehr Zeit in Anspruch.
Der gesamte Abbau des Kernkraftwerks dauert insgesamt 20 Jahre. Und kostet etwa 800 Millionen Euro. Wenn alles rund läuft. Bei einem anderen AKW, in Stade, hat sich ein Problem ergeben, dort wurden im Beton unter dem Reaktor Spuren von Radioaktivität gefunden, wo sie nicht hätten sein dürfen. Der Rückbau dauert jetzt drei Jahre länger und kostet über eine Milliarde.
Wohin mit all dem radioaktiven Material?
Vom radioaktiven Material, das anfällt bis hier am Neckar nur noch eine grüne Wiese übrigbleibt, könne die Hälfte gereinigt, freigemessen und entweder wiederverwendet oder auf normale Deponien gebracht werden, so die Betreiber. Wogegen sich allerdings Anwohner der betroffenen Deponien wehren.
Die andere Hälfte, das sind immer noch 2700 Tonnen radioaktives Material, geht in die Endlagerung. Nur: die gibt es noch nicht. Eine Anlage für schwach- bis mittelradioaktive Abfälle ist zwar im Bau, der «Schacht Konrad». Aber dessen Fertigstellung verzögert sich immer weiter, und der Widerstand dagegen wächst. Und der Bau des Endlagers für hochradioaktive Abfälle in Gorleben wurde abgebrochen. Die Suche beginnt von neuem. Ausgang und Zeithorizont sind völlig offen. Einstweilen wird das Material oberirdisch zwischengelagert.
Der Abfall ist immer noch DAS grosse, nicht gelöste Problem. Nicht nur beim Betrieb von Atomkraftwerken, sondern auch – und gerade – wenn es um deren Abriss geht.
Rückbau des AKWs Mühleberg gleich nach Stilllegung 2019
Mühleberg ist das erste Atomkraftwerk der Schweiz, das zurückgebaut werden soll. Mit dem Abbau will die Betreiberin BKW gleich nach der Stilllegung 2019 beginnen. Sie rechnet mit Kosten von 800 Millionen Franken und mit einer Rückbau-Dauer von rund 15 Jahren. 20 Jahre nachdem Mühleberg vom Netz gegangen ist, soll das Areal wieder nutzbar sein. Die BKW setzt zum grössten Teil auf eigenes Personal. Es brauche aber auch Spezialisten aus dem Ausland, zum Beispiel aus Deutschland. Mit dem Rückbau von Kernkraftwerken Geld verdienen will in Zukunft der Energiekonzern Alpiq. Anfangs März hat Alpiq bekannt gegeben, man wolle ein Tochterunternehmen gründen für die Stilllegung und den Abbruch von Atomkraftwerken. |