Untergangsszenarien gibt es für Venedig seit jeher. Jetzt sind die Bewohner der Unesco-Welterbestadt eindrücklich daran erinnert worden, wie fragil die wohl schönste Stadt der Welt ist.
Hochwasser hat in Venedig für verheerende Schäden gesorgt. Gepeitscht von starkem Wind und nach Dauerregen stieg das Wasser in der Nacht zu Mittwoch so hoch wie zuletzt vor 53 Jahren.
«Wir haben es mit apokalyptischen Zerstörungen zu tun», befand der Präsident der Region Venetien, Luca Zaia. Von einer «Katastrophe» sprach auch Bürgermeister Luigi Brugnaro und machte den Klimawandel dafür verantwortlich. Er wollte den Notstand ausrufen.
Das sind die Folgen des Klimawandels. Wir bitten die Regierung in Rom, uns zu unterstützen.
Es sind erschreckende Bilder: Wasserbusse schleuderte der starke Wind ans Ufer und versenkte einige, mindestens 60 Schiffe wurden beschädigt. Gondeln und Boote wurden weggerissen und trieben durch Kanäle. Hotels wurden überschwemmt. Wasser flutete auch den Markusdom, bis zu 1.10 Meter hoch soll es gestiegen sein. Die Krypta glich einem Schwimmbad. Auch das Opernhaus «La Fenice» stand laut Medien in Teilen unter Wasser.
Auf dem Markusplatz – einer der bekanntesten Touristenattraktionen der Welt – stiefelten am Dienstag noch schaulustige Besucher durch das hüfthohe Wasser. Doch dann wurde es zu gefährlich, Polizisten fuhren mit Booten über den Platz.
Mindestens ein Toter
Ein Mensch starb beim Versuch, die Entwässerungspumpe in seinem überfluteten Haus wieder in Gang zu setzen, meldete die Nachrichtenagentur Ansa. Ein weiterer Bewohner der Insel sei tot in seinem Haus gefunden worden – eine natürliche Todesursache werde aber nicht ausgeschlossen.
Um kurz vor Mitternacht war das Wasser auf 187 Zentimeter über dem normalen Meeresspiegel gestiegen. Das sei der höchste Wert seit der verheerenden Überschwemmung im Jahr 1966, als 194 Zentimeter erreicht wurden, teilte die Gemeinde mit.
Wissenschaftler warnen seit langem vor den Folgen der Erderwärmung für die Welterbestadt, die in einer Lagune an der Adria liegt. Schmelzen Eis und Gletscher, so erhöht sich der Meeresspiegel. Je mehr der Meeresspiegel steigt, desto höher ist das Risiko von Überflutungen. Auch sackt der Boden in Venedig ab. Ein Grossteil der Gebäude wurde auf Pfählen gebaut. Ebbe und Flut und Wellenbewegungen durch Schiffe gefährden die Bauten. Kritiker machen zudem das Ausbaggern von Fahrrinnen für Schiffe für das Absacken verantwortlich.
«Venedig werden wir verlieren, das ist nicht umstritten», sagte vor einem Jahr Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Die Frage sei nur wann. «Es kann Jahrhunderte dauern.» Die Entwicklung sei langsam aber «unaufhaltsam». Es gebe zwar Anpassungsmöglichkeiten. Diese müssten jedoch sehr gross angelegt sein.
In Venedig entstehen elektronische Barrieren in der Lagune, die bei Hochwasser ausgefahren werden können. Das Projekt namens «Mose» hat sich allerdings unter anderem durch einen Korruptionsskandal verzögert.
Einige Bewohner sehen aber genau in dem Projekt, das sie schützen soll, den Untergang. «Dieses Hochwasser ist von Menschen gemacht», sagte Petra Reski, eine Journalistin, die seit 30 Jahren in Venedig lebt. «Das grösste Problem ist, dass das Wasser sehr schnell reinkommt, aber nicht abfliesst. Wegen des Hochwasserschutzes kommt das Wasser schneller rein und fliesst schlechter ab.»