Schweizer Touristen, die die chinesische Mega-Metropole besuchen, kommen mit vielen Eindrücken zurück: die Verbotene Stadt, der Tian’anmen-Platz, das futuristische «Vogelnest» von Herzog & de Meuron – die ehemalige Kaiserstadt ist definitiv eine Reise wert.
Je nach Reisezeit kann sich allerdings etwas anderes tief in die Erinnerung (und auch in die Lunge) einbrennen: Der berüchtigte Wintersmog. Er taucht Peking alljährlich in eine dichte, graue Dunstglocke.
Man ist dieser unsichtbaren Gefahr total ausgesetzt und kann ihr nicht entfliehen.
Die chinesische Hauptstadt gilt denn auch als eine der smoggeplagtesten Städte der Welt. Doch die schlechte Luft belastet Ballungsgebiete im ganzen Land. Im Reich der Mitte sterben laut Schätzungen der Universität von Kalifornien jährlich 1,6 Millionen Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung.
In diesen Tagen hat sie wieder einmal dramatische Ausmasse angenommen: Seit Wochen stecken Teile von China unter einer Smogglocke. Letzte Woche riefen die Pekinger Behörden die zweithöchste Warnstufe aus. Landesweit galt für über 20 Städte Alarmstufe Rot.
Die Umweltpolizei soll's richten
Pascal Nufer, SRF-Korrespondent in China, war auf dem vorläufigen Höhepunkt der Smogbelastung selbst in Peking. Er berichtet aus leidvoller Erfahrung: «Selbst mit einer Atemmaske stinkt die Luft, es riecht nach Kohle. Schon nach kurzer Zeit beissen die Augen.»
Ein Blick auf ein eigens mitgebrachtes Messgerät zeigte: Selbst im Hotel lag die Verschmutzung um das Zehnfache über dem Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation, berichtet Nufer. Kein Wunder steigt bei vielen Chinesen der Unmut über die schlechte Luftqualität und deren Auswirkungen auf die eigene Gesundheit.
Allein: Ganz unschuldig ist auch der Otto-Normal-Verbraucher nicht: Feuerwerke, Garküchen, private Müllverbrennungsanlagen im Hinterhof – das Sündenregister vieler Hauptstädter ist derart gross, dass sich der Pekinger Bürgermeister nun veranlasst sah, eine «Umweltpolizei» ins Leben zu rufen.
Üble Gewohnheiten
«Es geht vor allem darum, dass bestehende Gesetze auch wirklich durchgesetzt werden», sagt Nufer. Denn wie beim Rauchen, in dem die Chinesen ebenfalls weltweit führend sind, sind Verbote oft nur schwer durchzusetzen. Denn viele Menschen foutieren sich einfach darum: «Eigentlich wäre es in China verboten, seinen Müll einfach auf der Strasse zu verbrennen.»
Eigentlich. Trotzdem qualmt es, wie der China-Korrespondent erzählt, allerorten aus Hinterhöfen. Die «Smogpolizei» dürfte auch auf Probleme stossen, wenn sie den omnipräsenten Grillständen Einhalt gebieten will: «Sie gehören in China zur Esskultur.» Sie einfach von der Strasse zu räumen, dürfte schwierig werden. Immerhin: Die Umweltpolizei dürfte die Bürger wohl doch ein wenig einschüchtern, sagt Nufer.
Der Wachstumshunger hat einen Preis
Rein volkspädagogisch soll sie aber nicht wirken. «Wenn den Menschen buchstäblich die Luft ausgeht, kann das natürlich ein Auslöser für offene Proteste sein. Die Massnahmen sollen wohl auch dem entgegenwirken, sozusagen als Beruhigungspille», so der China-Korrespondent.
Denn das Smog-Problem im Reich der Mitte greift tiefer: Chinas ungebremster Wachstumshunger wird mit abertausenden Kohlekraftwerken und Fabriken gestillt, dazu kommen unzählige ältere, ineffiziente Fahrzeuge. Die Regierung sei sich dieser gravierenden Probleme bewusst und habe auch Gegenmassnahmen eingeleitet, schliesst Nufer: «Das braucht aber alles seine Zeit.»
Bis die Luft wieder rein ist, dürften also noch ein paar Milliarden Atemschutzmasken verkauft werden.