Aus einer Tonne Smartphones können 200 Gramm Gold gewonnen werden. Das schrieb Swico-Recycling, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen zum gestrigen «E-Waste-Day», der uns auf die urbane Goldmine aufmerksam machte, auf der wir sitzen. Die Botschaft: Bringt alle herumliegenden, schubladisierten Smartphones zurück in den Stoffkreislauf! Mindestens zehn Millionen Geräte sollen es alleine in der Schweiz sein.
Das ist eine stolze Zahl. Doch wenn ich mein eigenes «Museum» anschaue, scheint sie mir viel zu klein: Acht Handys kamen zum Vorschein, als ich im Keller im «Elektro-Karton» nachschaute. Ausser dem Samsung S5 und dem iPhone 4 ist keines mehr brauchbar, schon gar nicht die Modelle, die nur auf dem 2G-Handynetz funken, das in gut einem Jahr abgeschaltet wird.
Wieso habe ich dann – wie etwa 80 Prozent der Handybesitzer – meine Oldtimer nicht schon lange zum Recycling gebracht? Schliesslich habe ich die Wiederverwertung ja sogar bezahlt mit einer Abgabe von 10 Rappen beim Kauf des Geräts, die sogenannte vorgezogene Recyclinggebühr, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen. Dieses weltweit einzigartige Prinzip sorgt seit 25 Jahren dafür, dass wir fast alle gebrauchten elektronischen Geräte zu den Verkaufsstellen zurückbringen – nur eben unsere Handys nicht.
Platzbedarf: Klein
Ein Grund: Smartphones sind im Gegensatz zu einer Waschmaschine oder einem Fernseher klein und landen deshalb schnell in der Schublade. Dort gehen sie vergessen, statt beispielsweise bei der Firma Immark, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen zu landen, wo fachkundige Hände rund 130’000 Geräte oder 14 Tonnen pro Jahr einer Recycling-Norm entsprechend vorbereiten.
Sie öffnen die Gehäuse und entfernen die Akkus, notfalls mit Gewalt, falls es nicht anders geht. Die so ausgeweideten Geräte gehen dann auf eine weite Reise, etwa nach Belgien zur Firma Umicore. Diese betreibt Öfen, in denen die zerstückelten Geräte bei hohen Temperaturen schmoren und die wertvollen Metalle wie Gold, Silber, Kupfer und Palladium «herausgekocht» werden.
Emotionale Bindung: Gross
Ein anderer Grund für unsere Recycling-Trägheit bei Smartphones liegt darin, dass wir eine emotionale Bindung zu diesen Geräten haben. Ich zu meinem Nokia 6150 etwa: Unzählige Male habe ich mich dank dieses Telefons mit Kollegen zu rauschenden Partys verabredet. Ich habe ihm viele Stunden gewidmet, um die Kontakte über die Infrarotschnittstelle mit jenen auf meinem PC zu synchronisieren. Und das Gerät hat mir diese Mühsal mit einer sagenhaft langen Akkulaufzeit verdankt.
Oder mein superkleines Klapphandy: Es war eines der ersten Geräte, das 3G unterstützte – und eine Kamera hatte. Da macht das Nerd-Herz auch heute noch Luftsprünge! Weggeben? Keine Chance!
Von Gott auserwählt
Wenn es um unsere Handys geht, ticken die meisten von uns also irrational. Wie sonst kann es vorkommen, dass jemand auf einer Verkaufsplattform für ein Nokia 6150, ein heute unbrauchbares Gerät, rund 70 Franken verlangt?
Vielleicht können Erkenntnisse von Max Weber unseren Drang erklären, Handys zu horten. In seinem Werk «Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus» beschreibt der Soziologe, dass für viele Menschen das erfolgreiche Sammeln oder gar Anhäufen materieller Güter als Indikator diente, ob sie von Gott auserwählt waren.
Früher stellten Fürsten deshalb ihre Macht durch den Besitz herausragender Sammlungen von Literatur und Kunst zur Schau. Heute tun wir das vielleicht mit unseren Handys der letzten 25 Jahre.
Sendebezug: Radio SRF 1, 15.10.2019, 16:40Uhr