Klar definierte Zonen für Alkoholkonsum und Partys bei Bussen bis zu 3000 Euro in Palma de Mallorca oder Eintrittsgebühren für Tagestouristen in Venedig. Die unter Massentourismus leidenden Top-Destinationen wehren sich nach Kräften, wie die jüngsten Beispiele zeigen. Doch es brauche mehr und möglichst frühe Massnahmen, um attraktiv zu bleiben und nicht unterzugehen, sagt Tourismusexperte Jürg Stettler.
SRF News: Kein Alkohol mehr auf offener Strasse in Palma – reicht das, um den Sauftourismus einzudämmen?
Jürg Stettler: Ich gehe davon aus, dass die Verbote eine gewisse Wirkung haben. Solche Einschränkungen sind ja nicht neu. Etwa in Australien oder Kanada, wo im öffentlichen Raum kein Alkohol konsumiert werden darf.
Auf Mallorca soll das Verbot nur in fünf touristischen Ballungszentren gelten. Wird da nicht einfach ausgewichen?
Eine Verlagerung ist durchaus denkbar. Das ist möglicherweise aber nicht so einfach, denn die Menschen halten sich lieber an den attraktiven Orten mit den entsprechenden Angeboten auf. Allenfalls würden dann wohl aber die Zonen erweitert und die Bussen erhöht.
Venedig verlangt neu Eintrittsgeld von Touristen. Haben europäische Städte allmählich genug vom Massentourismus?
Die Entwicklung zeichnet sich seit längerem in verschiedenen Städten ab. Sie versuchen jetzt mit unterschiedlichen Massnahmen, den Tourismusströmen Herr zu werden. Venedig kann als Insel die Zugänge besser regulieren, um eine Gebühr für Tagestouristen zu erheben. Mallorca hat Probleme mit der Wasserkapazität und der Anzahl Touristen und hat auch Gebühren eingeführt, um die Insel ein bisschen weniger attraktiv zu machen.
Sind Verbote und Gebühren das richtige Mittel gegen Massentourismus?
Aufgrund der Entwicklung des weltweiten Tourismus mit dem markanten Wachstum vor allem aus den asiatischen Märkten, kommen immer mehr Orte unter Druck, weil sie schlicht zu klein und die Kapazitäten beschränkt sind. Entsprechend versuchen alle, zu regulieren.
Es zeigt sich aber, dass eine Massnahme allein oft nicht genügt. Es braucht immer ein Bündel von Massnahmen und das Ganze muss sehr früh beginnen. So kann man die Probleme nur lösen, wenn man vorausschauend agiert. Man muss sich überlegen, wie sich eine Stadt oder ein Ort entwickeln soll. Bei ersten Anzeichen von Overtourism darf man nicht zu lange zuwarten.
Müssen die Städte dafür sorgen, dass sie unattraktiver werden?
Unattraktiver auf der einen Seite. Aber auch im Sinne, dass eine Stadt eine hohe Wertschöpfung erzielt und Touristen hat, die möglichst lange bleiben und möglichst viel Geld an unterschiedlichen Orten ausgeben, damit möglichst viele vom Tourismus profitieren und nicht nur wenige. Die hohe Kunst ist es auch, die Stadt nicht weniger attraktiv, sondern anders attraktiv zu machen. Es braucht also ein Bündel von ineinandergreifenden Massnahmen. Spannend dürfte sein, was Barcelona machen oder wie sich Wien weiterentwickeln wird. Oder wie die Massnahmen in Amsterdam ihre Wirkung entfalten werden.
Das Gespräch führte Teresa Delgado.