SRF News: Wer müsste vor allem gegen solche Falschmeldungen in den sozialen Medien wie Facebook und Twitter vorgehen?
David Rosenthal: Letztlich sind es die Betreiber der Social-Media-Plattformen, die eigentlich kein Interesse daran haben, dass ihre Plattformen in dieser Form missbraucht werden. Ich sehe das Ganze eher entspannt: Es gab das Phänomen, dass Medien missbraucht werden, immer wieder. So gab es früher etwa gezielte Leserbrief-Aktionen mit falschen Absendern. Heute werden andere Kanäle genutzt. Ich denke, der Ruf nach einem Einschreiten des Gesetzgebers kommt jetzt viel zu schnell.
Könnten sich die betreffenden Plattformen nicht auch sagen: Uns ist das egal, Hauptsache es gibt Klicks?
Klicks haben sie genug. Tatsächlich bringen ihnen die Falschmeldungen vor allem negative Presse und Ärger. Bereits heute setzen alle diese Plattformen grössere Teams ein, um den «Unrat» von den Seiten wegzuputzen. Denn sie schlagen sich nicht gerne mit den eingehenden Beschwerden herum. Allerdings stellt sich die Frage, wie stark die Plattformen eingreifen sollen. Sie entscheiden damit ja im eigentlichen Sinne darüber, was publiziert wird und was nicht. Vor allem bei den grossen Plattformen und speziell im angelsächsischen Raum gibt es eine grosse Zurückhaltung einzugreifen. Ihnen wäre es lieber, andere würden darüber entscheiden und ihnen dann eine Verhaltensanordnung geben. Sie wollen nicht Richter spielen.
Stehlen sie sich damit nicht aus der Verantwortung?
Nicht wirklich. Es gibt sehr klare Fälle, etwa, wenn irgendwo Kinderpornographie auftaucht. Aber bei umstrittenen Inhalten, bei denen die eine Partei sagt, das stimme, die andere, das stimme nicht – wer soll da entscheiden? Klar ist: Wenn es nötig ist, dann tun das die Provider. So wurde vor einigen Jahren Google dazu verpflichtet, Suchergebnisse zu löschen, wenn das eine Person verlangt. Das funktioniert zwar. Allerdings ist es nicht optimal, wenn ein Suchmaschinenbetreiber darüber entscheidet, in welchen Fällen ein überwiegendes Interesse besteht, dass etwas publiziert wird, und in welchen nicht.
Die Leute merken, dass es da nur gefakte Meldungen gibt – und nutzen deshalb die Plattform nicht mehr.
Der Kurznachrichtendienst Twitter hat kürzlich einige Konten von Rechtsextremen gesperrt. Ist das eine gute Idee?
Jeder Anbieter wird selber entscheiden, was er auf seiner Plattform haben will und was nicht. Viele Betreiber gehen weniger nach den geltenden Gesetzen, als nach eigenen Grundsätzen, was sie auf ihrer Plattform haben wollen und was nicht. Insofern ist die Entscheidung von Twitter durchaus vertretbar, wenn die Plattform keine Rechtsextremen-Propaganda bei sich haben will – selbst wenn diese nicht von Gesetzes wegen verboten wäre. Die Grundsätze der Betreiber sind ja nicht geheim, die Plattformen veröffentlichen entsprechende Listen.
Müsste eine so grosse Plattform wie Facebook nicht ein Team beschäftigen, das Inhalte auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft?
Das würde etwas zu weit gehen. Das Team müsste riesig sein, schliesslich werden bei Facebook täglich unzählige Posts raufgeladen. Zwar könnte man schon sagen, man reagiert in solchen Fällen. Aber wenn für eine gewisse Meldung eine grosse Resonanz festgestellt wird, ist es eigentlich bereits zu spät, weil die Sache bereits eine eigene Dynamik angenommen hat. Natürlich wird dieses Phänomen von gewissen Leuten gezielt benutzt. Aber es ist keine realistische Lösung, jeden Post schon zu Beginn zu prüfen.
Was kann der Staat tun?
Nicht sehr viel. Es gibt eine ganze Reihe von Gesetzen, mit denen man gegen Exzesse vorgehen kann. Aber im Bereich der Falschmeldungen bringt es nichts, neue Gesetze zu erlassen, nur weil jetzt ein gewisses Ohnmachtsgefühl vorhanden ist. Das würde eher schaden und viele weitere Fragen aufwerfen, auf die wir keine vernünftige Antwort haben.
Wir sind also ein bisschen hilflos?
Ja klar. Es gibt in vielen Bereichen Entwicklungen, mit denen man nicht gerechnet hat und den richtigen Umgang zuerst lernen muss. Aber das passiert ja auch: Die Leute merken, dass es da ja nur gefakte Meldungen gibt. Als Folge davon nutzen sie die Plattform nicht mehr. Damit regelt sich das Problem mit der Zeit von selber. Das ist eigentlich immer so: Bei allen neuen Erscheinungen gibt es Exzesse. Damit müssen wir leben.
Das Gespräch führte Roman Fillinger.