SRF News: Wo werden Sie am Freitag sein, wenn die partielle Sonnenfinsternis losgeht?
Walter Bersinger: Zuerst hab ich mit dem Gedanken gespielt, eine Kreuzfahrt zu buchen. Das Schiff fährt dem Kernschatten entlang. Auch habe ich von einer Fluggesellschaft gelesen, deren Flugzeug mit dem Schatten fliegt. Die Passagiere sitzen da nur auf einer Seite. Ich hab dann beides sein lassen, weil es sehr teuer ist und mittlerweile wohl auch schon ausgebucht. Nein, dieses Mal werde ich vom Balkon aus mit meiner Spiegelreflex-Kamera eine Zeitrafferaufnahme machen. Und dann begleite ich unsere Veranstaltung in der Sternwarte Rümlang, allerdings ein bisschen verspätet, da ich eben zuerst noch die Aufnahmen auf dem Balkon in Gang setze.
Sie beschäftigen sich seit über 20 Jahren mit Sonnenfinsternissen. Welches Erlebnis hat sie am meisten beeindruckt?
Die totale Sonnenfinsternis in der Türkei und die in Curaçao in der Karibik waren atemberaubend. In Curaçao erlebte ich zum ersten Mal die fliegenden Schatten. Das ist, wie wenn man bei Sonnenschein mit einer Taucherbrille an den Beckenboden guckt. Dann entstehen durch die Wellen an der Oberfläche Lichtmuster am Boden, die sich bewegen. Bei einer Sonnenfinsternis sind jedoch Licht und Schatten nicht so scharf abgegrenzt wie auf einem Bassinboden, weil das Luftflimmern auf eine viel grössere Distanz auf den Boden projiziert wird.
Und in der Türkei?
Da hab ich sehr schöne Protuberanzen erlebt. Das sind glühende Gasauswürfe aus der Sonne, die gelegentlich auch Sonnenwinde erzeugen. Die meisten Auswürfe beugen sich bogenförmig über die Sonne. Ich konnte daher diese Protuberanzen mit blossen Augen beobachten, denn sobald die Totalität erreicht ist, muss man den Sonnenfilter sofort von den Augen wegnehmen. Die Auswürfe waren pink, teilweise mit merkwürdigen Ausformungen.
Wie ist es, wenn es plötzlich total dunkel wird?
Es wird nicht kohlrabenschwarze Nacht, aber so dunkel, dass man dann effektiv die hellsten Sterne sieht. In der letzten halben Minute, bevor sich der Mond vollends über die Sonne schiebt, passiert eigentlich alles gleichzeitig, so dass man gar nicht weiss, wo man hinschauen soll. Entweder auf den Boden, um noch die letzten fliegenden Schatten zu sehen. Die sind aber nicht garantiert. Oder man sieht auf die Schattengrenze, die mit Schallgeschwindigkeit auf einen zufliegt. Und plötzlich merkt man den Einbruch der Dunkelheit so richtig. Der Einbruch wird auch immer schneller, bis dann die Nacht einfach zuklappt. Auch die Tierwelt reagiert. Vor allem die Vögel sind verstört.
Die partielle Sonnenfinsternis wird nicht so spektakulär.
Bei einer Partiellen ist alles sehr viel gemächlicher als bei der Totalen. Wir werden am Freitag kaum eine spürbare Verdunkelung der Landschaft erkennen, obwohl 75 Prozent des Sonnendurchmessers bedeckt sind. Unsere Augen passen sich der Verdunkelung laufend an. Aber man sieht dafür deutlich, wie sich die Mondscheibe vor die Sonne schiebt. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Tierwelt reagiert. Reizvoll sind auch die Sichelprojektionen in der Vegetation. Die Flecken der Sonne sieht man bei einer partiellen Sonnenfinsternis dann in der Natur nicht mehr wie gewohnt als Kreise, sondern in Sichelform.
Das Gespräch führte Christa Gall.