Die Büros des japanischen Marketing-Unternehmens Piala Inc. liegen im 29. Stock eines Hochhauses. Mitarbeiter, die eine Zigarettenpause einlegen wollen, müssen jedes Mal den weiten Weg zum Eingang des Gebäudes auf sich nehmen und verlieren dabei bis zu 15 Minuten Arbeitszeit.
Genau darüber echauffierte sich ein Nichtraucher, der beim Tokioer Unternehmen angestellt ist. Während seine Kollegen sich auf ihre regelmässige Pilgerreise zur Raucherzone begäben, sitze er am Schreibtisch und arbeite, argumentierte er in einem Schreiben, das er in die Vorschläge-Box steckte. Dadurch komme er auf deutlich mehr geleistete Arbeitszeit.
Das japanische Harmoniebedürfnis
«Unser CEO sah den Vorschlag und stimmte ihm zu», sagt Sprecher Hirotaka Matsushima zum britischen «Telegraph». Mitarbeiter, die ganz auf Zigaretten verzichten oder seit mindestens einem Jahr nicht mehr geraucht haben, sollen deshalb künftig sechs zusätzliche Ferientage erhalten. Ziel davon sei es, die Mitarbeiter durch Anreize zum Nichtrauchen zu bewegen, und nicht fürs Rauchen zu bestrafen, sagte CEO Takao Asuka zur Nachrichtenagentur Kyodo News.
Dass die Regelung nur dazu diene, die Gesundheit der Mitarbeiter zu fördern, bezweifelt Journalist Martin Fritz in Tokio. «In diesem Fall geht es vor allem darum, die Harmonie im Team wiederherzustellen», sagt er. Teamarbeit und Harmonie seien in Japan sehr wichtig, die Unternehmen reagierten meist sehr schnell, wenn es Unstimmigkeiten unter den Mitarbeitern gebe.
Dieses Harmoniebedürfnis birgt laut Fritzauch ein Problem für die Nichtraucher: «Japaner beziehen ihre Ferien meist im Team. So würden sie in Raucher und Nichtraucher gespalten.» Es sei deshalb möglich, dass die Nichtraucher die zusätzlichen Ferientage gar nicht beziehen würden.
Die Unternehmen wollen einerseits, dass die Mitarbeiter gesund bleiben. Andererseits profitieren sie aber auch davon, dass die sie viel arbeiten.
In Japan ist die Gesundheit der Mitarbeiter ein wichtiges Anliegen der Unternehmen. In vielen Firmen ist es Tradition, dass sich die Mitarbeiter morgens versammeln und Stretching- und Aerobic-Übungen absolvieren. Die Unternehmen seien auch vom Staat dazu angehalten, auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu achten, sagt Fritz.
Arbeiten bis zum Tod
Japaner müssen zudem ab einem gewissen Alter regelmässige Gesundheitschecks absolvieren und die Unternehmen kontrollieren – auf freiwilliger Basis – den Hüftumfang ihrer Mitarbeiter. Männern, die dabei auf mehr als 85 Zentimeter Umfang kommen, wird beispielsweise einen Plan mit Sport- und Ernährungsvorschriften verschrieben.
Gleichzeitig gebe es aber auch starke Widersprüche in der japanischen Arbeitskultur. Regelmässig kursieren Meldungen über Angestellte, die sich zu Tode arbeiten. Auf in der japanischen Sprache existiert sogar ein Wort dafür: Karoshi, der Tod durch Überarbeitung.
Dieser Widerspruch lässt sich laut Fritz nicht einfach aufklären. «Die Unternehmen wollen einerseits, dass die Mitarbeiter gesund bleiben. Andererseits profitieren sie aber auch davon, dass die sie viel arbeiten», sagt er. Gesundheitsförderung und Überbelastung seien zwei Zustände, die in der japanischen Arbeitswelt parallel existieren.