Ein Erd- und Himmels-Globus wie der St. Galler Globus ist eine historische Rarität. Er ist ein prestigeträchtiges Symbol für Wissen und Macht im 16. Jahrhundert.
Allerdings hatte der St. Galler Globus einen Makel: Seine Herkunft war unbekannt. Dank Zufall, tüchtigen Forschern und einem Pergament – das in einer Brockenstube verkauft worden ist – ist jetzt klar: Der Globus stammt aus Norddeutschland. Bisher wurde vermutet, dass er aus Augsburg in Bayern oder aus Konstanz am Bodensee stammt.
Zufallskauf im Brockenhaus
2016 tauchte das Pergament auf, mit dessen Hilfe die Herkunft des St. Galler Globus definitiv geklärt werden konnte. Ein Koch aus Olten hatte das Dokument zufälligerweise günstig in einer Brockenstube gekauft. Ihm gefiel das Bild, dass er es sich an seine Bürowand hängte. Nach einem Umzug wanderte das Bild auf den Estrich.
Als er später einen Fernsehbeitrag über den Kulturgüterstreit zwischen den Kantonen Zürich und St. Gallen in der «Tagesschau» sah, erinnerte er sich an seinen Kauf in der Brockenstube und erkannte den umstrittenen St. Galler Globus. Das Original steht heute im Landesmuseum in Zürich. Eine Kopie davon ist in der Stiftsbibliothek St. Gallen zu bewundern.
Dem Koch war aber noch nicht bewusst, welch grosser Fund sich in seinem Besitz befand. Über Umwege gelangte das Pergament in die Zentralbibliothek Zürich. Das Fundstück gab Anlass, die bereits laufende Forschung mit der Stiftsbibliothek und dem Landesmuseum zu intensivieren.
Forscher mit Lotto-Sechser
Jost Schmid forschte bereits jahrelang, um dieses Rätsel zu lösen: «Es gab im 16. Jahrhundert nur drei Personen, die so grosse Globen gebaut haben. Jetzt gibt es einen weiteren Namen.» Schmid ist Geograf und Leiter der Kartensammlung in der Zentralbibliothek Zürich.
Für die Forscher war es ein Glücksfall: Der Globus musste anderswo gebaut worden sein, als bislang vermutet. Denn das Gemälde diente als sogenannte Verkaufsvorschau. Zudem ist darauf zu sehen, dass einige Ornamente übermalt wurden. «Wir haben diese übermalten Stellen mit Röntgenstrahlen und Infrarot genauer angeschaut», erklärt Schmid.
Die neue Herangehensweise zahlte sich aus – Fragen wurden zu Antworten. Die Forscher stiessen auf drei übermalte Porträts von historischen Persönlichkeiten. Diese waren in den Stützstreben des Globus' verborgen und ermöglichten eine definitive Klärung der Herkunft.
Schulden und Tod
Die Spur führte in den Norden Deutschland – an den Mecklenburgischen Hof in Schwerin. Gebaut wurde der Globus von Astronom und Kartograf Tilemann Stella (1525-1589).
Tilemann stand im Dienste des Herzogs Johann Albrecht I. zu Mecklenburg. «Doch der ursprüngliche Auftraggeber Johann Albrecht I. starb, als der Globus fast fertig war, so dass die Widmung noch fehlte», erklärt Schmid. Der Herzog sei 1576 nach einer kurzen Krankheit gestorben.
Drei versteckte Porträts
Dessen Sohn, Johann VII., liess sich rund 15 Jahre später auf dem Globus abbilden. Er erklärte sich damit zum Auftraggeber und Besitzer des Werkes. «Doch auch Johann VII. starb früh im Jahr 1592. Und auch er war hoch verschuldet», sagt Schmid. Darum sei der Globus auch verkauft worden, um Schulden zu tilgen.
Gemäss Geograf Jost Schmid war das Pergament eine Art Verkaufsprospekt, der vor 1595 gemalt worden war, also vor dem Erwerb durch den Fürstabt. Die beiden anderen übermalten Porträts zeigen die Gelehrten Gerhard Mercator und David Chytraeus. Damit sei ein grosses Rätsel der Globengeschichte gelöst, schreibt die Zentralbibliothek Zürich in einer Mitteilung.
Der Verkauf des Prestige-Objektes geschah also wegen Geldmangels und wurde so Teil der Schweizer Geschichte. Der St. Galler Globus – trotz oder dank seiner Historie – einzigartig.