Ein Klick und die Hyaluron-Säure schiesst aus einem übergrossen Stift mit Druckluft unter die Haut. Einfach anzuwenden, ohne Nadel, mit Soforteffekt – so wird der Hyaluron-Pen von Kosmetik-Instituten beworben. Schnelle Aufpolsterung zum Schnäppchenpreis.
Gerade junge Frauen spricht das an. Die hohe Nachfrage bilde den Zeitgeist ab, findet René Schätti, Geschäftsführer der Schweizerischen Gesellschaft für medizinische Kosmetik SGMK. Zum einen werde uns ein Schönheitsideal von Hollywood oder von TV-Formaten wie der Bachelor suggeriert. «Zum anderen beeinflussen die sozialen Medien, in welchen Videos und Bilder mit vollen prallen aufgepumpten Lippen kursieren.»
Alles andere als harmlos
Der Hyaluron-Pen mitsamt der Säure lässt sich problemlos für den Heimgebrauch bestellen. Anwendungstipps gibts auf YouTube – ein Kinderspiel, so der Eindruck.
Doch in Beauty-Foren ist auch anderes zu lesen. Betroffene berichten über ihre Erfahrungen: «Total blau», «starke Schmerzen», «mega geschwollen», so die Rückmeldungen. Ein Spiel mit dem Feuer.
Meine Lippe war die ersten paar Tage total blau und schmerzhaft. Würde es nicht nochmal machen.
Auch irreversible Schäden möglich
Zudem liegen der Redaktion der Gesundheitssendung «Puls» Bilder von geschädigten Patientinnen vor. Die unsachgemässe Anwendung des Hyaluron-Pens hat Knötchen hinterlassen – an der Innenseite der Lippe, der empfindlichsten Stelle des Körpers.
«Wir sehen den Abdruck des Pens in der Mitte. Wir sehen ein Randwall aussen rum. Wahrscheinlich ist das eine allergische Reaktion auf das Material», sagt Dirk Johannes Schaefer, plastischer Chirurg am Universitätsspital Basel. «Das ist sehr schwer zu korrigieren, weil das Material eingebracht wird.»
«Man braucht profunde Kenntnisse»
Sich als Laie selbst mit dem Hyaluron-Pen zu behandeln, davon rät Dirk Johannes Schaefer ab. «Man braucht schon profunde anatomische Kenntnisse, um sich im Klaren zu sein, wohin ich das Material appliziere. Zum anderen ist auch wichtig, dass ich frühzeitig mit der medizinischen Erfahrung Komplikationen erkenne, um dann sofort mit dem entsprechenden Gegenmittel handeln zu können.» Schaefer ist der Meinung, dass ein solches Gerät nur in die Hände von medizinisch ausgebildetem Personal gehört. Kosmetikerinnen zählt er nicht dazu.
Auch Harald Gerny, Dermatologe und Präsident des SGMK weiss, dass unqualifizierte Personen, ob privat oder im Kosmetik-Salon, mit dem Pen Schäden anrichten können. «Man darf nicht sagen, keine Kosmetikerin darf das Gerät brauchen. Aber sie muss die entsprechende Ausbildung dafür haben.» Deshalb bietet er Kurse für Kosmetikerinnen an, wo man lernen kann, wie man den Pen richtig anwendet. Harald Gerny findet, dass es klare Kriterien geben muss, welche Kosmetikerin ein solches Gerät brauchen darf.
Regulierung greift zu kurz
Doch in der Schweiz gibt es keine Regulierung für den Hyaluron-Pen, da er nicht als Medizinal-Gerät eingestuft wird. Die Zulassungsbehörde Swissmedic reguliert einzig die verwendete Hyaluron-Säure: Sie muss innert 30 Tagen im Körper abgebaut sein.
Diese Verordnung greift für Unispital-Chefarzt Dirk Schaefer zu kurz. «Die Pens versprechen, dass nicht mehr direkt invasiv gespritzt wird, aber das entspricht natürlich nicht der Tatsache. Unseres Erachtens müsste man hier die Verordnung ergänzen, da es sich nicht wie bei sonstigen Kosmetika um eine Auftragung auf die Haut handelt, sondern sie ja doch einige Millimeter tief in die Dermis eindringen»
Im Ausland werden die Risiken des Hyaluron-Pens zunehmend erkannt. In mehreren Deutschen Bundesländern ist die Anwendung nur durch Ärzte oder zugelassene Heilpraktiker gestattet. Kanada hat den freien Verkauf des Geräts sogar verboten.