- Schlafwandeln jenseits der 50 Jahre kann ein Indikator für Hirnerkrankungen sein.
- Hauptaugenmerk liegt dabei darauf, ob Betroffene ihre Träume ausleben.
- Studien belegen ein deutlich erhöhtes Risiko für Parkinson oder Demenz.
Ein gesunder Mensch macht abends die Augen zu und wacht morgens erholt wieder auf – nichts einfacher als das. Weil das Gehirn währenddessen aber alles andere als schlummert, können sich in das System des Schlafs Fehler einschleichen. Dieses System besteht aus bis zu sechs Zyklen pro Nacht, jede mit einer Dauer von etwa 90 Minuten. Idealerweise kommt zunächst der Körper zur Ruhe, Blutdruck, Puls und Körpertemperatur sinken. Schliesslich entspannt sich auch das Gehirn so, dass es ankommende Reize nicht mehr weiterleitet: Wir schlafen.
Die einfachste Sache der Welt ist nicht vor Störungen gefeit, die Palette an Schlafproblemen ist gross. Unter die 110 verschiedenen Schlaf-Wach-Störungen fällt auch das Schlafwandeln. Schon wer nachts im Bett sitzt und unverständlich vor sich hin erzählt, schlafwandelt. Andere erschrecken, schlagen um sich oder stehen auf. Üblicherweise geschieht das in der Tiefschlafphase. Zwar besteht immer die Gefahr von Verletzungen oder riskanten Situationen, denn während die Motorik zwar funktioniert, schlafen die Teile des Gehirns, die für logisches Handeln, Erinnern oder Verantwortungsbewusstsein stehen. Rein organisch betrachtet ist das Schlafwandeln aber nicht dramatisch.
«Neutäter» sollten aufmerksam sein
Ernst wird es dagegen, wenn Schläfer in der REM-Schlafphase aktiv werden – insbesondere, wenn sie in ihrem bisherigen Leben nie geschlafwandelt sind. Dass es nämlich in dieser Phase zu Bewegungen kommt, hat die Natur eigentlich tunlichst unterbunden: In dieser Traumphase des Schlafs ist die Motorik – Atmung und Augen ausgenommen – weitestgehend blockiert, der Körper befindet sich in der Schlaflähmung. Nur so bleiben Träumende ruhig liegen, während sie im Schlaf Skirennen fahren, mit ihrem Partner streiten oder verzweifelt ihr verschollenes Haustier suchen.
Bei den 0.5 Prozent der Menschen, die in dieser Schlafphase aus dem Bett steigen, liegt also eine Funktionsstörung in dem Gehirnareal vor, das die Bewegungen eigentlich unterbinden sollte – im Hirnstamm. Und das wiederum kann auf eine ernsthafte Erkrankung hinweisen. Besonders dokumentiert ist der Zusammenhang inzwischen für Parkinson und die sogenannte Lewy-Körperchen-Demenz, die nach Alzheimer die zweithäufigste Demenz weltweit ist.
Nächtliche Wanderschaft als Frühsymptom
Vielfach ist das Schlafwandeln das erste Indiz, dass sich eine solche neurodegenerative Erkrankung anbahnt. Studien sprechen von verschiedenen Zahlen. Während die eine unter 165 diagnostizierten Parkinson-Kranken sechs neue Schlafwandler fand, entdeckte die andere innerhalb einer Untersuchungsgruppe aus hunderten Parkinsonkranken sogar neun Prozent Schlafwandler. Der grösste Teil von ihnen verliess wegen einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung das Bett. Eine andere Studie belegte, dass Männer im mittleren Alter, die träumend aktiv werden, fünfmal häufiger Demenzen entwickeln.
Eine amerikanische Untersuchung aus dem Jahr 2015 stellte noch eindrücklichere Zahlen vor: Etwa die Hälfte der Menschen mit einer festgestellten REM-Schlaf-Verhaltensstörung entwickelte den Autoren zufolge innerhalb von zehn Jahren Parkinson oder eine andere neurodegenerative Erkrankung. Auf lange Sicht waren so bis zu 90 Prozent betroffen.
Während sich das Schlafwandeln für all diese Patienten in der Regel medikamentös unterbinden liess, liefert eine frühe Parkinson- oder Demenz-Diagnose vor allem eins: kostbare Zeit, um den Fortschritt der Krankheit frühzeitig zu entschleunigen.