«Minority Report» von Steven Spielberg – ein visionärer Film. Eine Gesellschaft ohne Kriminalität, weil die Polizei immer schon im Voraus weiss, wo ein Täter aktiv werden will und ihn deshalb schon vor der Tat verhaften kann. Doch das System hat Schwächen, es wird von den Mächtigen manipuliert.
Man denkt unweigerlich an diesen Film, wenn man hört, dass eine Polizei Software einsetzt, um Verbrechen voraussagen zu können. Die Kantonspolizei Aargau arbeitet seit sechs Monaten mit der deutschen Software Precobs (Pre Crime Observation System).
Mit den Wahrsagerinnen in «Minority Report» hat dieses System jedoch herzlich wenig gemeinsam. Bedient wird es an einem ganz normalen Computer im 3. Stock des Polizeikommandos in Aarau. Dort befindet sich das Lage- und Analysezentrum der Kantonspolizei.
Datenerfassung ist Handarbeit
Jeden Morgen ist ein Polizist damit beschäftigt, Precobs mit Daten zu füttern. Er erfasst die Rapporte von Einbrüchen der letzten 24 Stunden. Die Delikte werden möglichst detailliert erfasst mit Zeit, Ort, Tatwerkzeug, Beute und vor allem dem «Modus Operandi». Damit ist die Vorgehensweise eines Täters gemeint.
Erfasst werden ausschliesslich Einbrüche in private Wohnungen. Autoeinbrüche, Einbrüche in Bürogebäude oder Läden werden nicht eingegeben. Wenn genügend Daten vorhanden sind, kann Precobs die Wahrscheinlichkeit berechnen, ob sich in einer bestimmten Gegend ein Wohnungs-Einbruch wiederholen wird.
Precobs ist darauf ausgelegt, Handlungsmuster, Serien, also Gewohnheiten zu erkennen. «Ein professioneller Einbrecher kehrt häufig an den Ort seiner Tat zurück. Dort kennt er sich aus, er hatte vielleicht schon ein Erfolgserlebnis. Und er kann effizient arbeiten», sagt André Gloor, Precobs-Spezialist bei der Kantonspolizei.
Ist im Precobs bei einem Einbruch als «Modus Operandi» eingegeben «Fensterbohrer», wird Precobs zu rechnen beginnen. Denn ein Fensterbohrer ist in der Regel ein Profi, der nicht nur einmal zuschlägt. Es ist auch gut möglich, dass er Komplizen hat.
Der Computer rechnet, der Mensch denkt
Glaubt Precobs, den Beginn einer Einbruchserie zu erkennen, zeigt es auf dem Computerbildschirm einen Alarm an. Die Adresse des auslösenden Delikts wird angezeigt und darum herum in verschiedenen Gefährdungstufen jene Gebiete, wo der oder die Täter wieder auftauchen könnten.
Ein Alarm hat aber nicht automatisch einen Einsatz zur Folge. Der Precobs-Operator entscheidet erst nach Rücksprache mit einem weiteren Spezialisten, ob der Alarm tatsächlich an die Posten der Kantonspolizei weitergegeben wird. Denn wenn ein Alarm kommt, muss die Polizei handeln. Und dabei geht es nicht einfach um eine zusätzliche Patrouillenfahrt im Polizeiauto.
Ich habe erlebt, dass dann 25 Polizisten im Einsatz sind. Und das nicht nur über Stunden, sondern über Tage und Nächte.
Die Polizisten sind vielleicht am Tag unterwegs, vielleicht aber auch in der Nacht. Sie können auffällig auftreten oder sich auch eher im Hintergrund halten. Je nach gewählter Taktik. Ziel des Einsatzes ist nicht, Kriminelle zu erwischen, sondern Einbrüche zu verhindern.
Die Polizei rechtfertigt den grossen Einsatz zur Verhinderung von Wohnungseinbrüchen mit dem Sicherheitsgefühl, das dadurch gesteigert werde. Roland Pfister: «Von einem Einbruch in die eigene Wohnung ist man viel direkter betroffen, als wenn Einbrecher in ein Warenhaus eindringen. Wenn wir zu wenig machen gegen Wohnungseinbrüche, haben die Leute das Gefühl, die Sicherheit sei generell nicht mehr gewährleistet.»
Ob Precobs im Aargau definitiv angeschafft wird, ist noch nicht entschieden. Die Kantonspolizei arbeitet seit sechs Monaten im Rahmen eines Pilotversuches mit der Software. Der Versuch ist um weitere sechs Monate verlängert worden. Man wolle Erfahrungen über einen ganzen Jahresverlauf sammeln, lautet die Begründung.