Franz Hollinger ist Präsident der Justizkommission im Grossen Rat des Kantons Aargau und selber Anwalt in Brugg. Dass das Aargauer Strafgericht im letzten Jahr jedes vierte weitergezogene Urteil nochmals neu beurteilen musste, ist nicht ohne. Auch für ihn nicht.
Unangenehme Situation
«Es ist für ein oberstes kantonales Gericht nicht angenehm, ansehen zu müssen, wie ein sehr hoher Prozentsatz der Fälle vom Bundesgericht aufgehoben oder zur Neubeurteilung zurück gewiesen wird.» Franz Hollinger steht zu 100 Prozent hinter dem Aargauer Strafgericht. Ob dieses nun schlechter arbeitet als andere kantonale Strafgerichte, das könne er nicht beurteilen.
Man müsse zudem berücksichtigen, dass die Kantone bis 2011 alle eine eigene Strafprozessordnung hatten. Erst seit gut drei Jahren gibt es eine schweizweit gültige und einheitliche Strafprozessordung. Da müssten die Gerichte in der ganzen Schweiz noch Erfahrungen sammeln, so Hollinger.
Analyse und wenn nötig Korrekturen
Dennoch: So, wie das Aargauer Strafgericht im letzten Jahr gearbeitet hat, dürfe es nicht weitergehen. Das stellt der Präsident der Justizkommission klar. Das Strafgericht müsse analysieren, warum diese Aufhebungen und Rückweisungen erfolgt sind.
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Und: «Das Strafgericht muss sicher analysieren, ob es da auf dem richtigen Weg ist.» Wenn das Gericht zum Schluss komme, dass Handlungs- und Korrekturbedarf da ist, «dann erwarte ich, dass dieser Bedarf umgesetzt wird», sagt Hollinger auf Anfrage des Regionaljournals von Radio SRF.
Von Seiten der Politik wünscht man sich also eine Analyse des Sachverhalts. Beim Gericht hielt man dies zuletzt nicht für nötig. Die Kommunikationsstelle der Aargauer Gerichte erklärte am Donnerstag, man sehe keinen Handlungsbedarf und sei stets bedacht, die Fehlerquote möglichst tief zu halten.
Wählt die Politik die richtigen Richter?
Im Rahmen der Kritik am Aargauer Strafgericht stellt sich auch die Frage: Wie wichtig ist heute ein politisch ausgewogenes Obergericht - und ist der Wunsch nach den besten Richtern nicht wichtiger?
Im Aargau wie auch in Solothurn, Bern oder Zürich wählt das Kantonsparlament die Oberrichter. Im Aargau wurde dies lange unter parteipolitischen Aspekten getan. Das sei je länger desto weniger der Fall, erklärt Franz Hollinger, Präsident der Justizkommission. Aber: Wenn beispielsweise ein Oberrichter der Partei X abtritt, melden sich vor allem Juristen aus der Partei X für diesen Job.
Mehr Qualität dank mehr Bewerbern
«Wir würden uns wünschen, es kämen mehr Bewerbungen von Parteilosen oder von Bewerbern aus anderen Parteien», so Hollinger. Denn mit einer grösseren Auswahl würde sicher auch die Qualität eines Gerichts erhöht, ist sich der CVP-Grossrat sicher. Hier müsse sowohl bei den Parteien wie auch bei künftigen Bewerbern noch ein Umdenken stattfinden.