SRF: Thema Menschenhandel: Wie stark beschäftigt sich die Solothurner Kantonspolizei damit?
Urs Bartenschlager, Chef Kriminalpolizei Kanton Solothurn: Seit zwei Jahren setzen wir beim Menschenhandel einen Schwerpunkt. Die Polizei muss selber aktiv werden, niemand macht dazu von sich aus eine Anzeige. Ohne bereits genaue Zahlen nennen zu können: 2016 werden wir einen massiven Anstieg ausweisen. Wir werden im Kanton Solothurn ungefähr so viele Fälle haben wie im Vorjahr in der gesamten Schweiz.
Früher wurde mit Sklaven gehandelt – ist der heutige Menschenhandel damit vergleichbar?
In der Literatur liest man auch den Begriff «Handel mit lebender Ware». Der Mensch wird also zur Ware degradiert. Oft ist der Zweck des Handels die sexuelle Ausbeutung. Vom Menschenhandel können Personen aller Länder betroffen sein. In letzter Zeit hatten wir viele Fälle aus Rumänien und Bulgarien, im letzten Jahr gab es aber auch einen grossen Fall, in welchem Thailänderinnen betroffen waren. Zur Aufklärung dieser Fälle arbeiten wir international zusammen.
Wie werden denn konkret Menschen im Kanton Solothurn gehandelt?
Als Beispiel nehme ich den grossen Fall aus dem Thai-Millieu. Dort wurden meistens sehr arme Frauen in Thailand angeworben, die sich oft bereits prostituierten. Ihnen wird ein viel besseres Einkommen in Europa versprochen, mit dem sie ihre Familie daheim unterstützen können.
Den Frauen werden Visa und Flugtickets beschafft – meistens mittels Korruption oder gefälschter Dokumente.
Danach reisen sie in einen Schengen-Staat ein und werden in die Schweiz transportiert und im einem Rotlichtbetrieb «abgeliefert». Dort arbeiten sie zuerst, um ihre Schulden bei den Menschenhändlern zu bezahlen. Sie müssen sich rund um die Uhr für Freier bereithalten, für sämtliche Sexualpraktiken.
Die Ermittlungen in solch grossen, internationalen Fälle klingt nach einem enormen Aufwand.
Allein beim genannten Fall haben sieben Mitarbeiter der Solothurner Polizei rund acht Monate gearbeitet. Es gab 18 Hausdurchsuchungen, 230 Einvernahmen, welche über 5000 Seiten Text ergaben. Alle Befragungen waren in Thailändisch, es brauchte immer Dolmetscher. Solche Ermittlungen binden also viele Kräfte.
Der Aufwand ist also gross, wie sieht es mit dem Ertrag aus?
Es ist schwierig, hier von einem Ertrag sprechen zu können. Aber natürlich ist es so, dass Polizisten ihren Erfolg sehr oft auch am Strafmass messen, das ein Urteil zur Folge hat.
Das Ziel sollte sein, dass es überhaupt zu einer rechtskräftigen Verurteilung kommt.
Zum einen als Abschreckung für Täter, zum anderen natürlich auch für die Opfer des Menschenhandels. Sie sollen sehen, dass es denm Kanton Solothurn nicht egal ist, dass mit Menschen gehandelt wird und dass die Verantwortlichen bestraft werden. Die Verfahren sollten zudem nicht allzu lange dauern. Opfer sollen nicht vor immer weiteren Gerichtsinstanzen ihre Leidensgeschichte darlegen müssen.
Der Handel mit Sex oder die Prostitution ist wohl nicht etwas, das man ganz verbieten kann oder soll: Wie blicken Sie aber bezüglich Menschenhandel in die Zukunft?
Dieses Thema wird uns immer beschäftigen. Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass wir mit den vorhandenen Mitteln in der Lage sind, den Menschenhandel auszurotten. So lange damit Geld verdient werden kann und die Ressourcen zur Bekämpfung eher bescheiden sind, ist das Risiko für die Täter immer noch kalkulierbar. Die Solothurner Polizei hat Erfahrung in der Bekämpfung dieses Problems, der Aufwand wird aber immer grösser werden. Auch weil es gesetzlich immer schwieriger wird, stichhaltige Beweise zu haben. Es wird ein Kampf bleiben.