Ein Rechtsrutsch wurde prognostiziert im Vorfeld der Wahlen: SVP und FDP haben 2015 bei den Nationalratswahlen zugelegt. Jetzt – ein Jahr später – stagnieren die Wähleranteile der beiden Parteien im Aargau. Küsschen und Umarmungen gab es auf der anderen Seite des politischen Spektrums: Über 3,7 Prozentpunkte legt die SP zu, sie gewinnt fünf Sitze im Parlament und steigt wieder auf zur zweitstärksten Kraft im Kanton.
Führt die Sparpolitik zum «Linksrutsch»?
19 Jahre ist es her, seit die SP im Aargau bei kantonalen Wahlen zum letzten Mal gewinnen konnte. Die Co-Präsidentin Elisabeth Burgener glaubt, dass dieser Sieg mit den aktuellen finanzpolitischen Debatten im Kanton zu tun habe. «Es geht nicht mehr weiter mit dieser Abbaupolitik, wir konnten unsere Leute davon überzeugen, dass die linke Seite gestärkt werden muss.»
Diese Einschätzung ist wahrscheinlich nicht falsch. Die SP hat mit einem aufwändigen (Telefon-Kampagnen) und geschickten (inhaltliche Plakate statt Köpfe) Wahlkampf wohl Wählerschichten mobilisiert, die mit der bürgerlichen Sparpolitik im Grossen Rat unzufrieden sind. Die Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft ist bei einer Wahlbeteiligung von nicht einmal einem Drittel entscheidend.
Polarisierung im Parlament
Die Linke wird mit dem Erdrutsch-Sieg der SP gestärkt, obwohl die Grünen einen minimen Wählerverlust hinnehmen müssen. Die links gewonnenen Sitze gehen zu Lasten der Mitte-Parteien: CVP und BDP verlieren je zwei Sitze, die GLP einen.
Auch wenn CVP-Präsidentin Marianne Binder etwas zweckoptimistisch von einer guten Ausgangslage spricht für ihre Partei, da die Prognosen noch viel schlechter gewesen seien: Es ist offensichtlich, dass die politische Mitte weiter erodiert.
Für die Politik im Aargau heisst das: Die Polarisierung hat erneut zugenommen. Die stärkste Fraktion der SVP steht nun im Grossen Rat einer erstarkten SP-Fraktion gegenüber. Beide Parteien sind dafür bekannt, dass sie in der täglichen politischen Arbeit nicht zwingend den Kompromiss suchen, sondern versuchen ihre politische Agenda durchzusetzen.
Das bedeutet auch, dass es in Zukunft noch häufiger zu sogenannten «unheiligen Allianzen» kommen könnte im Grossen Rat: SVP und SP bekämpfen und verhindern Geschäfte der Regierung gemeinsam – wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen.
Bürgerliche Parteien bleiben dominant
Mit diesem Wahlausgang hat niemand gerechnet – nicht einmal die Sozialdemokraten selber. Das zeigten die Freudenausbrüche von Nationalrat und Co-Parteipräsident Cédric Wermuth am Nachmittag im Wahlzentrum in Aarau.
Vor den Wahlen träumten SVP und FDP von einer absoluten Mehrheit im 140-köpfigen Parlament, nun ist die Linke gestärkt. Das dürfte die Aargauer Politik aber nicht ganz so nachhaltig verändern, wie es sich linke Wählerinnen und Wähler vielleicht erhoffen.
SVP und FDP bilden auch in Zukunft einen stabilen bürgerlichen Block von 67 Sitzen. Sparmassnahmen – zum Beispiel auch im Bildungsbereich – können diese zwei Parteien mit Koalitionen in der Mitte problemlos durchsetzen. Unter dem Strich dürfte die Politik im Aargau sich inhaltlich kaum verändern. Der Politstil dürfte durch die neuerliche Polarisierung eher rauher werden.