Rekord bei Austritten: Aus der reformierten Landeskirche Aargau sind im vergangenen Jahr so viele Personen ausgetreten wie noch nie. Fast 3300 Menschen wollten nicht mehr Teil der Kirche sein, das entspricht rund zwei Prozent der Mitglieder.
Auch die römisch-katholische Landeskirche Aargau verzeichnet sehr viele Austritte. Rund 4100 Menschen traten 2018 aus der Kirche aus. Aktuell hat die römisch-katholische Landeskirche Aargau 216'000 Mitglieder, die reformierte Landeskirche 160'000 Mitglieder.
Das sind die Gründe: Der gesellschaftliche Wandel, die Menschen wollen sich nicht mehr binden, haben zu wenig Zeit oder sie zeigen damit ihre Abneigung gegenüber den Missbrauchsskandalen in der Kirche – die möglichen Gründe für die Austritte sind vielfältig. Oft begründen die Leute ihren Austritt aus der Kirche auch gar nicht.
Eine wichtige Rolle spielt aus Sicht der Kirchen-Verantwortlichen aber sicher auch die Kirchensteuer. Im Aargau ist diese höher als in anderen Kantonen, da die Kirchen kein Geld vom Kanton erhalten und auch die Unternehmen keine Kirchensteuern bezahlen müssen. Normale Kirchenmitglieder bezahlen im Aargau deshalb beinahe doppelt so viel wie Mitglieder in den Kantonen Bern oder Zürich, heisst es bei der Reformierten Landeskirche.
Das sagen die Kirchenvertreter: «Die Kirchenaustritte muss man ernst nehmen. Jeder ist einer zu viel», sagt Luc Humbel, Präsident der römisch-katholischen Landeskirche Aargau gegenüber SRF. Alarmierend sei die Entwicklung jedoch nicht. In der Schweiz habe es 2018 dank der Zuwanderung so viele Katholiken gegeben wie noch nie.
Auch Christoph Weber-Berg, Kirchenratspräsident der reformierten Landeskirche Aargau, ist der Meinung, dass man die Zahlen nicht überbewerten soll. «Wir müssen nicht mit Angst auf diese Austrittszahlen schauen und uns frustrieren lassen. Wir haben weiterhin 160'000 Mitglieder. Selbst wenn es nur noch die Hälfte wäre, blieben wir damit eine sehr wichtige Organisation im Aargau. Wir müssen selbstbewusst und ansteckend bleiben.»
Neue Angebote der Kirchen: Die Landeskirchen versuchen auf den gesellschaftlichen Wandel zu reagieren, zum Beispiel mit Gottesdiensten an anderen Tagen, speziellen Anlässen oder auch immer mehr Angeboten im Internet – zum Beispiel Online-Seelsorge.
Christoph Weber-Berg und Luc Humbel betonen zudem, dass Kirche viel mehr sei als der Gottesdienst am Sonntagmorgen. Die Kirchen würden gesellschaftlich sehr viel leisten, zum Beispiel mit der Seelsorge in den Spitälern oder auch in der Sozialhilfe. Das gehe in den aktuellen Debatten teilweise etwas vergessen.
Die Verantwortlichen der Landeskirchen üben sich also in leiser Selbstkritik, wollen aber nicht Alarm schlagen. Und auch die Pfarrerin von Brugg betont, dass es zumindest in ihrer Kirchgemeinde auch aufwärts gehe. Gerade habe man neues Personal für die Kirchenpflege gefunden. Nein, Angst habe sie keine um ihre Kirche. «Der Herr wird schon wissen, wie es weitergeht.»