Die Badener Wählerinnen und Wähler setzten am 24. September ein doppeltes Signal, und zwar eines für einen politischen Neuanfang in der Stadt. Sie wählten einerseits den amtierenden Stadtammann Geri Müller aus dem Stadtrat ab, der deshalb nicht mehr als Ammann antreten darf.
Und das Wahlvolk hievte die Parteilose Sandra Kohler in den Stadtrat, eine Kandidatin, die keinerlei politische Erfahrung vorweisen kann. Der amtierende Stadtammann weg und eine Newcomerin, die bewährte Kräfte locker überflügelt – es waren politische Paukenschläge.
Im Wahlkampf war immer wieder zu hören, Baden brauche einen Neuanfang für die Stadt. Senkrechtstarterin Sandra Kohler buhlte damit um Stimmen. Gleich wie auch Erich Obrist (parteilos) und Markus Schneider (CVP).
Baden und schwierige Zeiten?
Warum der Ruf nach einem Neuanfang? Baden durchlebt seit 2013 schwierige Zeiten. Damals kippte mit der Wahl von Geri Müller und Ruth Müri (beide Team Baden) die Mehrheit im Stadtrat nach Links-Grün. Zudem verloren die Bürgerlichen das Ammann-Amt an Geri Müller.
Der Einwohnerrat blieb aber mehrheitlich bürgerlich. Die Steuererträge brachen genau ab dieser Zeit massiv ein und gleichzeitig zeichnete sich eine Investitionslawine ab. Dazu kam 2014 die Affäre «Gerigate», die das politische Klima in Baden nachhaltig vergiftete.
Die Folge: Der bürgerlich dominierte Einwohnerrat machte Geri Müller und seinem links-grünen Stadtrat das Leben mit immer noch strengeren Sparauflagen und Budgetvorgaben schwer. Und das links-grüne Lager kritisierte die eigene Mehrheit im Rat für die Sparanstrengungen. Häufig entstand gegen aussen der Eindruck, die Politik in Baden sei blockiert.
Deshalb zogen Kohler, Obrist und Schneider mit dem Ruf nach einem Neuanfang in den Wahlkampf für den Stadtrat und für das Amt des Ammanns. Sie konnten damit punkten. Sollte das Wahlvolk auch im zweiten Wahlgang den Neuanfang zur höchsten Priorität erklären, so müsste das bedeuten, dass Sandra Kohler Frau Stadtammann wird.
Folgt die Sensation?
Politisch gesehen wäre die Wahl von Sandra Kohler als Frau Stadtammann eine absolute Sensation, denn mit einem praktisch leeren politischen Rucksack und als Parteilose das Ammann-Amt zu übernehmen, wäre eine Reise ins Ungewisse. Sowohl für Kohler wie auch für die Bevölkerung. Aber Kohler macht einen sehr aktiven Wahlkampf. Sie sucht den Kontakt zur Bevölkerung und findet ihn auch. Dass sie die Sensation schafft, ist deshalb nicht auszuschliessen.
Erich Obrist tritt ebenfalls mit dem Label «parteilos» an. Es brauche in schwierigen Zeiten jemanden, der zwischen den Lagern vermitteln und Brücken bauen könne, so preist sich Obrist in seinem kreativ gestalteten Wahlkampf an. Allerdings: So recht will die Etikette parteilos nicht gelten. Obrist politisierte lange für die SP im Einwohnerrat. Und er sagt immer wieder, dass er diese Wurzeln nicht verleugne.
Er überwarf sich aber 2015 bei einer Ersatzwahl in den Stadtrat mit seiner Partei, weil er nicht als Kandidat nominiert wurde. Obrist trat aus der SP aus, kandidierte als Parteiloser und schaffte den Sprung in den Stadtrat. Im Wahlkampf für das Amt des Ammanns rutschte Obrist nun politisch gesehen immer mehr zur Mitte.
Den Linken ist er heute etwas suspekt. Er habe sie bei Hearings nicht überzeugen können, erklärten Grüne und die SP Baden. Für den zweiten Wahlgang zum Ammann empfehlen sie Stimmfreigabe. Voll und ganz hinter Obrist stellt sich nur das Team Baden.
Bürgerliche Unterstützung
Im Gegensatz zum parteilosen Obrist hat Markus Schneider das bürgerliche Lager geschlossen hinter sich. Den CVP-Kandidaten unterstützt auch die SVP. Und mit der FDP fährt Schneider sogar eine gemeinsame Kampagne, die FDP will nämlich neben Markus Schneider ihren Kandidaten Philippe Ramseier zum Vizeammann machen.
Schneider hat also die Unterstützung des bürgerlichen Lagers. Dazu hat er einen hohen Bekanntheitsgrad, weil er von allen Kandidaten schon weitaus am längsten im Stadtrat sitzt. Seit 2013 ist er Vizeammann und er führte die Stadt in der schwierigen Zeit, als Geri Müller wegen der Selfie-Affäre längere Zeit krank geschrieben war.
Zudem hat Schneider von allen Stadträten die meisten öffentlichen und damit publikumswirksamsten Auftritte, weil er als Ressorvorsteher Planung und Bau Dossiers wie das neue Thermalbad und das Bauprojekt für das neue Sekundarstufenzentrum Burghalde betreut. Von links bis rechts wird ihm attestiert, dass er sein Ressort und die Dossiers gut im Griff hat.
Blick in die Kristallkugel
Rein rechnerisch gesehen dürfte Markus Schneider also die grössten Chancen haben, zum Stadtammann von Baden gewählt zu werden. Beobachter können sich vorstellen, dass sich die politische Situation in Baden beruhigen könnte, wenn die bürgerliche Mehrheit im Einwohnerrat einem bürgerlichen Stadtammann gegenübersitzt.
Aber Markus Schneider ist eher der ruhige Schaffer als der mitreissende oder charismatische Repräsentant einer Stadt wie Baden. Und er steht auch für die bisherige Politik in der Stadt und – entgegen seinem Wahlslogan – nicht wirklich für einen Neuanfang.
Vielleicht verbaut ihm dieses Manko den Sprung ins höchste Exekutivamt der Stadt. Vielleicht gibt das Wahlvolk Erich Obrist den Vorzug, der unverbraucht das Amt antreten könnte. Und vielleicht wagen die Wählenden auch den Big Bang und wollen Sandra Kohler als Frau Stadtammann. Es wäre eine Premiere, denn Baden hatte noch nie eine Frau an der Spitze und auch noch nie eine/n parteilose/n Ammann.