Friedhelm Ryter fühlt sich fit und fährt täglich mit seinem Cabriolet durch den Westaargau. Der 77jährige pensionierte Bademeister fühlt sich sicher auf der Strasse: «Schliesslich fahre ich ja schon beinahe 58 Jahre Auto.» Alle zwei Jahre muss Friedhelm Ryter sich seine Fahreignung von einem Arzt bestätigen lassen.
Im Kanton Aargau dürfen diese Tests nur Ärzte durchführen, welche eine eintägige Weiterbildung besucht haben. «Ich mache zunächst eine körperliche Untersuchung, wie es vom Gesetz vorgeschrieben ist», so Heinz Bhend, Hausarzt von Friedhelm Ryter und kantonaler Vertrauensarzt. Gleichgewicht, Hörtest, Sehtest, Blutdruck und so weiter.
Aargau reagierte auf tödliche Unfälle
«Anschliessend führe ich einen Suchtest für Demenz durch, einen sogenannten trail making Test. Da sieht man, ob jemand in dieser Beziehung ein Defizit hat.» Diese Regelung gilt seit 2011. Eingeführt hat der Aargau die verschärfte Seniorenkontrolle nach mehreren tragischen Unfällen von Rentnern.
So hat zum Beispiel 2005 in Brugg ein 82jähriger Mann bei einer längeren Irrfahrt eine 15jährige Schülerin überfahren. Nach dem tödlichen Unfall hat sich herausgestellt, dass der Mann im Besitze eines gültigen Fahrausweises war, obwohl er dement, zuckerkrank und auf einem Auge blind war.
Im Kanton Aargau wird seither die Seniorenuntersuchung mit einem einheitlichen Formular rapportiert. Dieses ausgefüllte Formular wird anschliessend auf dem Aargauer Strassenverkehrsamt nach dem Vieraugenprinzip von zwei Mitarbeitern auf Vollständigkeit und Inhalt überprüft.
Hunderte Senioren fallen durch
Seit der Aargau diese Neuerungen eingeführt hat, haben sich die Fahrausweisentzüge bei Lenkern über 70 Jahren zeitweise verdreifacht. Heute wird jährlich über 800 Senioren der Fahrausweis entzogen. Das sind immer noch mehr als doppelt so viele, wie vor der Einführung des neuen Fahreignungstests.
«Wir sind der Ansicht, dass sich der Aufwand für die neue Fahreignungsprüfung von Senioren gelohnt hat. Die Vertrauensärzte reichen bessere und einheitlichere Zeugnisse ein als früher», so Martin Bruder, Leiter Administrativmassnahmen im Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau. Auf nationaler Ebene konnten sich die Kantone noch nicht auf eine einheitliche Lösung einigen.