Marie Heim-Vögtlins Karriere war so nicht vorhersehbar. Die Pfarrerstochter aus Bözen war eigentlich mit einem angehenden Augenarzt verlobt und besuchte eine Schule für höhere Töchter in Neuenburg. Als ihr Verlobter jedoch mit einer russischen Studentin durchbrannte, beschloss die 23-Jährige, Medizin zu studieren.
Die Liebe zu seiner Tochter ging dem konservativen Theologen offenbar über alles.
Frauen waren an der Universität Zürich seit vier Jahren zugelassen, als Marie Vögtlin 1868 als erste Schweizerin das Medizinstudium antrat. Ohne die finanzielle Unterstützung ihres Vaters und vor allem auch dessen Unterschrift wäre das Studium nicht möglich gewesen, betont ihre Biografin Verena E. Müller gegenüber Radio SRF.
Nachfrage nach einer Frau war gross
Auch in ihrer späteren Karriere als erste Gynäkologin Europas mit eigener Praxis in Zürich blieb Marie Heim-Vögtlin auf männliche Unterstützung angewiesen. Ihr Ehemann, Geologieprofessor Albert Heim, musste seinen Segen zu ihrer Berufstätigkeit geben. Ohne seine Bewilligung hätte die beliebte Ärztin nicht praktizieren können.
Während zahlreiche Männer Heim-Vögtlin skeptisch gegenüberstanden, lief ihre Praxis gut, wie Verena E. Müller betont. Viele Frauen hätten sich mit ihren gynäkologischen Leiden lieber an eine Ärztin gewandt.
Marie Heim-Vögtlin war so schon bald eine beliebte Ärztin und daneben Hausfrau und Mutter von zwei Kindern und einem Pflegekind. In der Rolle als Wegbereiterin von berufstätigen Müttern sieht Verena E. Müller denn auch einen der grossen Verdienste der Pionierin. Während sie sich für die Forschung wenig interessierte, war Heim-Vögtlin im medizinischen Bereich ausserdem massgeblich an der Gründung der Pflegerinnenschule in Zürich beteiligt und verschaffte so vielen Frauen eine Arbeitsstelle.
Briefmarke zum 100. Todestag
Marie Heim-Vögtlin begegnete der Skepsis an ihrem Berufsweg stets mit Selbstbewusstsein, betont Biografin Müller. Sie sprach sich für Frauenrechte aus, wurde jedoch nie politisch aktiv. Stattdessen engagierte sie sich in der Abstinenzbewegung und dafür, dass Prostituierte nicht mehr auf der Strasse standen. Marie Heim-Vögtlin starb 1916 an Lungentuberkulose.
Zu ihrem 100. Todestag gibt die Post nun eine Sonderbriefmarke heraus. Der Berner Grafiker Daniel Steffen nahm dazu eine historische Portraitaufnahme der Pionierin als Vorlage. Diese ist ab dem 25. Februar in der Philatelie und ab dem 3. März auf den Poststellen erhältlich.