Verdichtet Bauen, um damit der Zersiedelung der Schweiz entgegenzuwirken, hat sich als Idee schon längst durchgesetzt. Doch die Idee scheitert immer noch allzu oft an der Realität - was unter anderem mit der Angst vor zuviel Dichte zu tun hat.
Dichtestress ist das Schlagwort: Es wurde 2014 zum schweizerischen Unwort des Jahres erklärt. Trotzdem hat sich der Begriff in den Schweizer Köpfen festgesetzt. In Basel versucht nun das Schweizerische Architekturmuseum, dem Dichtestress die Dichtelust entgegenzuhalten.
Dichtestress, wo gar nicht verdichtet wird
Die typische Aversion gegen Dichte in der Schweiz erklärt Ausstellungsmacher Andreas Kofler, sei für Raumplaner und Archiktekten ein Paradox: Denn dieser viel zitierte Dichtestress entsteht ausgerechnet dort, wo am wenigsten verdichtet wird: «Menschen, die im Einfamilienhaus leben, haben einen langen Weg zur Arbeit. Sie stecken im Stau, in überfüllten Zügen und beklagen sich über den Dichtestress. Dabei verursachen sie ihn selber.»
In der Ausstellung setzen 25 Architektinnen und Architekten mit zukunftsweisenden Modellen dem Dichtestress ihre Dichtelust entgegen. Es sind Modelle von umgesetzten Verdichtungsprojekten - extra für die Ausstellung in einem grösseren Massstab gebaut und publikumsfreundlich inszeniert.
Unter der Erde verdichten
Die Schaukäserei in Greyerz zum Beispiel. Dort gibt es grössere und zwei kleine ebenerdige Häuser. Andreas Kofler erklärt: «Wenn in einem dörflichen Bestand verdichtet wird, besteht die Herausforderung, das Volumen relativ kompakt zu modellieren.» Die sechs Häuser der neuen Schaukäserei stehen locker verteilt - dazwischen viel Platz für eine öffentliche Nutzung. Dicht sieht das gar nicht aus. Der Trick dabei: Der Käsereibetrieb wurde unter die Erde verlegt, wo er die sechs Häuser unterirdisch verbindet.
Ein anderes Beispiel aus Genf: Dort wollte die Bauherrschaft auf eine kleinere Baulücke zwei Hochhaustürme bauen, die Anwohner wehrten sich heftig. Daraufhin wechselte die Bauherrschaft das Architekturbüro, dieses legte zuerst einmal sehr viel Wert auf Gespräche mit der Nachbarschaft. Beim zweiten Versuch wurden die Türme widerstandslos bewilligt, Bewohner und Nachbarn haben sich inzwischen zu einer verschworenen Gemeinschaft entwickelt.
Sparsame Verwendung von Boden und Raum
Von Dichtestress keine Rede mehr - dafür viel Lob für den grosszügigen Platz zwischen den Türmen, die gute soziale Durchmischung, die nahen Wege zu Arbeitsplatz, Einkaufsmöglichkeiten, Kindergärten, Schulen. Dichtelust statt Dichtefrust, glaubt Andreas Kofler.
Die Lust an der Dichte - für die Raumplaner und Architekten heisst das vor allem auch eine sparsame Verwendung von Raum und Boden: Beeindruckend inszeniert und veranschaulicht wird das in einem der Ausstellungsräume am Beispiel Basel. Im Stadtkanton ist Platz so begrenzt ist, dass Verdichtung gar nicht vermieden werden kann. Kommt dazu, dass zur Zeit 5 Prozent des städtischen Bodens transformiert, also umgenutzt werden.
Kluge und anschauliche Ausstellung
Das Büro DreiFünfSechs hat auf die Wandflächen einen sehr detaillierten Vogelschauplan von Basel gezeichnet und darin geplante und bereits umgesetzte Grossprojekte deutlich markiert. Gleichzeitg sind diese Grossprojekte als echte Modelle im Raum ausgestellt - eine echte Hilfe für all diejenigen, die mit Plänen alleine sich mögliche Realitäten nicht wirklich vorstellen können.
Die Ausstellung schafft es, die sperrige Materie Raumplanung auf teilweise vergnügliche, manchmal sinnliche und in jedem Fall kluge und anschauliche Art an ein breites Publikum heranzutragen.