An einem unscheinbaren Baum am Waldrand von Liestal lässt sich über hundert Jahre zurück zeigen, wann im Baselbiet die Kirschbäume blühen. Diesen sogenannten Referenzbaum beobachten Obstbauexperten des Landwirtschaftlichen Zentrums Ebenrain in Sissach.
Referenzkirschbäume gibt es im Baselbiet seit 1894, erklärt Andreas Buser vom Landwirtschaftlichen Zentrum: «Wenn 20 Prozent der Blüten dieses wilden Kirschbaums offen sind, sprechen wir vom Beginn der Blütenzeit.»
Über diesen Zeitpunkt wird Buch geführt. Die Zeitreihe in Liestal ist die älteste eines Kirschbaumes der Welt. Nirgends sonst wurde so weit zurück die Blüte der Kirschbäume Jahr für Jahr protokolliert. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts waren die Bauern auf diesen Referenzbaum angewiesen. Sie rechneten nämlich gestützt auf den Stichtag, den aktuellen Temperaturverlauf und anhand von Erfahrungswerten, fast auf den Tag genau, wann sie die Kirschen ernten können.
«Die Bauern wussten zum Beispiel: Am Stichtag plus 80 Tage beginnt etwa in Pratteln die Ernte», erklärt Blütenspezialistin Susanne Kaufmann. Die Bauern buchten dann auf diesen Termin die zahlreichen Erntehelfer oder bestellten Sonder-Güterzüge für den Transport der schnell verderblichen Ware in die ganze Schweiz.
«Bluescht» bereits im März
Heute ist dieser Referenzbaum in Liestal nicht mehr so wichtig für die Landwirtschaft. Denn gab es früher nur gerade drei verschiedene Sorten Kirschen, so ist die Sortenvielfalt heute dermassen gross, dass jede Kirschensorte zu einem anderen Zeitpunkt geerntet werden kann.
Unabhängig von der Sortenvielfalt blühen die Kirschbäume in den letzten Jahren generell immer früher: Im Schnitt war der Start der Blüte zwischen 1960 und 1991 um den 13. April. Seit den 1980er blühen die Kirschbäume immer früher: Eine «Bluescht» im März ist keine Seltenheit mehr.