Sandra Knecht ist schwer zu fassen. Sie hat Häuser besetzt, Drogenprostituierte betreut und als Sozialpädagogin jahrelang mit jungen Männern aus dem Balkan und dem Nahen Osten gearbeitet. In Buus im Oberbaselbiet, wo sie wohnt, weidet sie Schafe und Ziegen. Sie hat das Wirtepatent. Sie hat aber auch ein Theaterregiediplom. Sandra Knecht führte Regie, macht Kunstinstallationen, fotografiert und dreht Filme. Sie ist total ländlich und ganz urban zugleich, Köchin und Künstlerin.
Heimatforschung
Mehr über Sandra Knecht
Seit ein paar Jahren widmet Sandra Knecht sich vor allem einer Kunstform, die ebenso schwer zu fassen ist, wie sie selbst: Sie kocht, vordergründig. Aber hintergründig ist dieses Kochen eine Kunstform genauso wie malen oder bildhauen. Denn ihre Abendessen im Kleinbasler Hafenareal sind der praktisch angewendete Teil ihrer Heimatforschung.
Ihre Menüs sind Portraits einer Region. Die Mahlzeiten, die sie kocht, die Schnäpse, die sie braut, sind oft die Essenz eines ihr vertrauten Menschen oder Ortes. Ihr Lärchenschnaps zum Beispiel: Der schmeckt wie das alte Trudi, bei dem Sandra im Berner Oberland mal gewohnt hat - nach Wald und Sauberkeit. Ihre gesamte Kunstküche ist nicht zuletzt eine Hommage an die Generation Trudis und ihrer Grossmutter, an Schweizer Zutaten und Kochtechniken, die wir schon fast vergessen haben.
Gegen Abschottung
Und manchmal schleicht sich auch ein wenig Naher Osten ins Menü, oder eine Ahnung von Afrika. Denn gegen die komplette Abschottung wehrt sich Sandra Knecht, als Kunstköchin wie auch als politisch aktive Frau. Heimat kann nicht bleiben, wie sie ist. Heimat ändert sich ständig. Und die eigene Identität sei heute verhandelbar, etwas, das man ständig neu auslotet und definiert.
All diese Ideen, zu denen sie Zeitungsartikel, Fotos und Musik sammelt, fliessen schliesslich in ihre Menüs. «Immer wieder Sonntags» heissen die fünfgängigen Abendessen, die sie im Schnitt einmal im Monat an der Uferstrasse in Basel kocht. Dort hat sie eine alte Jura-Scheune neu aufgebaut und von der Künstlerin Tika bemalen lassen. Kochen tut sie nebenan in einem zur Küche umgebauten WC-Wagen und auf dem Riesengrill davor. Alles zusammen solle es hier so aussehen, «als ob das alles vom Himmel gefallen sei», sagt sie.
Biennale Venedig
Wie ein Geschenk des Himmels kommt für Sandra Knecht nun auch eine der höchstmöglichen Ehrungen für eine Künstlerin: Sie ist an die Biennale in Venedig eingeladen worden. Dort wird sie am 31. August ihre Kunst vorführen. Das heisst: Es wird ein Abendessen geben, eine Tavolata.
Ihr schwebe vor, Geschmäcker aus den höchsten Höhen der Schweiz bis zum tiefsten Punkt bei Venedig, dem Meer, zusammenzuführen. Eine kulinarische Reise von der Schweiz nach Venedig. Das Essen ist gratis, Interessierte können sich via Pro Helvetia, Salon Suisse, anmelden. Und wer es nicht bis nach Venedig schafft, der kann Knechts Kunst ab September wieder auf dem Hafenareal im Klybeck geniessen.