Alle Schriften in einer Sammlung: Forschende der Uni Bern haben erstmals alle Essays, Aufsätze und Artikel des deutschen Gelehrten und Weltreisenden Alexander von Humboldt (1769 - 1859) vereint. Er war bereits zu Lebzeiten ein weltweit angesehener Wissenschaftler, der mehrere Disziplinen vereinte.
SRF News: Wie kann man die Leistung des Alexander von Humboldt beschreiben?
Oliver Lubrich: Das Faszinierende an Alexander von Humboldt ist, dass es ihm gelungen ist, ganz unterschiedliche Wissensformen zusammenzudenken. Er geht Fragen, wie etwa Migration, nicht nur aus einer Perspektive an, etwa als Biologe oder Klimaforscher. Sondern er verbindet kreativ ganz unterschiedliche Ansätze.
Humboldt war eine Ein-Mann-Akademie.
Thomas Nehrlich: Man sagt, dass er eine Ein-Mann-Akademie war. Er hat in seinen neunzig Lebensjahren eine enorme Menge an wissenschaftlichen Output kreiert.
Was zählt zu seinen wichtigsten Erkenntnissen?
Oliver Lubrich: Eine besondere wissenschaftliche Leistung ist Humboldts Erkenntnis des menschengemachten Klimawandels oder sein pflanzengeographisches Konzept. Also sein Umdenken in der Botanik, weg vom alten System, in welchem Pflanzen einzeln bestimmt wurden, hin zum Ansatz, die Pflanzen in ihrer Umgebung zu denken.
Humboldt ist einer der berühmtesten Deutschen. Warum profiliert sich nun Bern mit der Aufarbeitung seiner Schriften?
Oliver Lubrich: Das hat auch eine symbolische Bedeutung. Er war ein deutscher Autor, der oft auf Französisch über indigene Kulturen in den spanischen Kolonien Südamerikas geschrieben hat. Er ist eine internationale Figur, die sich niemals national oder patriotisch vereinnahmen liess. Ich denke, dass es Alexander von Humboldt gefallen hätte, dass seine Texte in Bern erscheinen und nicht in Berlin oder Paris. Er hat die Schweiz mehrfach bereist und bei seinen Expeditionen Schweizer Präzisionsinstrumente dabei gehabt.
Was kann die Welt von Alexander von Humboldt lernen?
Thomas Nehrlich: Neugierig auf die Welt zu sein. Immer mehr machen zu wollen.
Oliver Lubrich: Die Risikobereitschaft. Nicht stehen zu bleiben an politischen, geographischen oder disziplinären Grenzen. Sondern seinen Fragen zu folgen, wo einem diese auch hinführen mögen.
Das Gespräch führte Michael Sahli.