Beim Contact Tracing geht es darum, Infektionsketten zu unterbrechen. Dies ist möglich, indem infizierte Personen frühzeitig erkannt und gezielt isoliert werden können, ebenso ihre engen Kontakte. Das Ziel ist es, die Ausbreitung des Coronavirus und die Anzahl von Neuinfektionen unter Kontrolle zu halten und möglichst einzuschränken.
Die Arbeit ist aufwendig: Personen mit einem positiven Covid-19-Test werden kontaktiert. Es wird abgeklärt, mit wem die positiv getestete Person in den letzten 48 Stunden engen Kontakt hatte. Diese 48 Stunden beginnen entweder zum Zeitpunkt, wo die ersten Symptome aufgetreten sind oder mit dem Testen. Auch diese Personen müssen einzeln durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kantons kontaktiert werden.
Wer positiv auf Covid-19 getestet wurde oder eben mit dieser Person engen und ungeschützten Kontakt hatte, muss sich in Quarantäne begeben. Das bedeutet: Die betroffenen Personen müssen 10 Tage zu Hause bleiben, dürfen die Wohnung nicht verlassen und auch keine physischen Kontakte haben.
Eingriff in die Grundrechte
Dies ist ein massiver Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Personen. Dieser Eingriff ist durch das Epidemiegesetz rechtlich abgestützt, vorausgesetzt, dass weniger einschneidende Massnahmen nicht ausreichen. Und gemäss Bundesverfassung müssen Eingriffe in die Grundrechte stets verhältnismässig sein.
«In den letzten Wochen haben wir quasi die ganze Bevölkerung in eine Art Quarantäne versetzt, so gut es möglich war. Jetzt betrifft es nur noch einzelne», sagt die Berner Kantonsärztin Linda Nartey auf die Frage, warum das Contact Tracing verhältnismässig sei. «Für die, die es trifft, ist es hart. Alle anderen erhalten dafür mehr Bewegungsfreiheit.»
Das Kantonsarztamt verfügt die Massnahmen, sie sind für die Betroffenen verbindlich. Wie Nartey erklärt, hätten diese bisher verständnisvoll darauf reagiert. «Wir drohen auch nicht mit Bussen; wir erklären den Leuten, dass es sich um eine verbindliche, behördlich angeordnete Quarantäne handelt», so die Kantonsärztin.
Es geht auch darum, andere zu schützen.
Das Verfahren und die Isolation sind für viele eine psychische Herausforderung. So müssen zum Beispiel die Kontakte von Bekannten den Behörden weitergegeben werden. Die Privatsphäre, Beziehungen zu Freunden und Bekannte, Werthaltungen kommen unter Druck. «Es geht hier nicht nur um die infizierten Personen, sondern auch um den Schutz der anderen», erklärt die Berner Kantonsärztin.
Kein Ausspionieren
Personen, die engen Kontakt zu einer positiv getesteten Person hatten und in Quarantäne sind, werden kontrolliert. Regelmässig werden sie von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Contact Tracings telefonisch kontaktiert. Kantonsärztin Linda Nartey: «Ausspioniert wird aber sicherlich niemand.»
Die Tracer erkundigen sich nach ihrem Gesundheitszustand und ihrem Wohlbefinden. Treten Symptome auf, wird ihnen empfohlen, sich auf das Coronavirus testen zu lassen.
Gemäss dem Bund müssen sich Kantone und Bevölkerung auf eine längere Phase des Contact Tracings einstellen.