Wie formuliert man eine politische Meinung? Wie kontert man ein Gegenargument? Das üben Jugendliche am Wettbewerb «Jugend debattiert». Die regionale Vorausscheidung in Bern für den nationalen Final im März zeigt: Manche Jugendliche machen es besser als erwachsene Politikerinnen und Politiker. Das jedenfalls sagt Claudine Esseiva, Jurymitglied und FDP-Stadträtin in Bern. Begeistert waren auch andere Politiker – doch der Reihe nach.
Das Thema: «Soll in der Schweiz ein Vaterschaftsurlaub von vier Wochen eingeführt werden?» Die Jugendlichen haben sich auf beide Seiten – pro und kontra – vorbereitet, das Los entscheidet kurz vor der Debatte, wer welche Seite vertritt.
Vaterschaftsurlaub nicht nur für den Vater: für die Familie, für die Frau und für die ganze Schweiz!
Den Vaterschaftsurlaub brauche es nicht nur für den Vater, so lanciert ein Schüler auf der Pro-Seite die Debatte. «Vaterschaftsurlaub auch für die ganze Familie. Vaterschaftsurlaub für die Frau und Vaterschaftsurlaub für die Schweiz.» Dann führt er die drei Punkte aus. Doch die Gegenseite ist parat.
Wer kann garantieren, dass der Vater den Urlaub wirklich für das Kind einsetzt? Und nicht mit Freunden trinken geht?
Niemand könne garantieren, dass der Vater seine vier Wochen Urlaub wirklich für das Kind einsetze, argumentiert eine Schülerin auf der Kontra-Seite. Zudem könne der Vater ja unbezahlten Urlaub nehmen: «So würde er zeigen, dass es ihm wirklich wichtig ist.»
Nach einer halben Stunde Debatte bekommen die Schülerinnen und Schüler von der Jury Rückmeldungen dazu, was sie gut gemacht haben und wo sie noch zulegen können.
Sich in beide Seiten einzudenken bringe viel, sagt nach ihrer Debatte die 16-jährige Lou vom Gymnasium Kirchenfeld in Bern: «Es hilft, objektiv zu sein. Um sich eine eigene Meinung zu bilden, muss man zuerst beide Seiten kennen.» Eine gute Übung, die ihnen später im Beruf viel helfen werde, davon sind andere überzeugt.
Egal in welchem Beruf – debattieren können bringt immer etwas.
Und es hilft im Leben als Staatsbürger, glaubt der 17-jährige Benjamin vom Berner Gymnasium Kirchenfeld. Man solle in Debatten nicht einfach kompromisslos seine Haltung vertreten, sondern auch zuhören.
Zuhören ist extrem wichtig in einer Demokratie.
Diese Jugendlichen sind offensichtlich politisch sehr interessiert. Und sie wünschen sich mehr politische Bildung an den Schulen im Kanton Bern. Die komme viel zu kurz, sagen mehrere, auch Benjamin: «Ich finde, man sollte die Leute nicht nur zu Schreinern, Malern und Juristen ausbilden, sondern auch zu Staatsbürgern.»
Die Jury-Mitglieder sind beeindruckt von den Jugendlichen, die sie beobachten konnten. «Sie haben eine grosse Sachkenntnis, haben etwas zu sagen, nehmen aber auch Rücksicht aufeinander. Ich bin begeistert», sagt der Berner SP-Regierungsrat Christoph Ammann.
«Es ist fantastisch, wie sie das Debattieren üben, wie sie einander zuhören, aufeinander eingehen», findet Claudine Esseiva, FDP-Stadträtin in Bern. «Da könnte sich mancher Politiker eine Scheibe abschneiden.»