Das Trauma einer Flucht – es betrifft auch Kinder. Während Eltern psychologisch betreut werden, kommen die Kinder oft zu kurz. Das erzählen junge Leute in einer Ausstellung im Politforum Käfigturm Bern. Zum Beispiel Lindita Salihu.
SRF News: Wie war Ihre Situation 1999 vor der Flucht aus dem Kosovo?
Lindita Salihu: Die Situation war sehr schwierig. Auch deshalb, weil niemand wusste, wie es weitergehen sollte. Als der Krieg immer näher kam, forderten uns Soldaten auf, unsere Wohnung zu verlassen. Meine Mutter packte für uns Kinder nur das Nötigste in einen kleinen Rucksack. Besonders schwierig war die Ungewissheit, weil unklar war, wohin wir gebracht werden und was uns da erwartet. Wir haben in dieser Situation einfach nur funktioniert.
Wohin ging die Reise?
Am Bahnhof von Pristina wartete bereits ein Zug. Ich kann mich noch gut an diesen Moment erinnern: Noch nie habe ich einen so langen Zug mit so vielen Menschen gesehen. Er war übervoll, voll mit Flüchtlingen.
Die Erfahrungen von damals sind noch immer ein Teil von mir.
Das Ziel des Zugs war die Grenze zu Mazedonien. Bis dahin wurde der Zug aber immer wieder von der Polizei oder von Soldaten angehalten. Diese pickten wahllos Passagiere heraus, verlangten Geld oder Wertsachen. Viele wurden gleich umgebracht. Die Zugfahrt ist mir in sehr schlechter Erinnerung geblieben. Die Angst, unvermittelt aufgegriffen und verschleppt oder umgebracht zu werden, sass mir bis in die Schweiz in den Knochen.
Mit 11 kamen Sie in die Schweiz, heute sind sie 30 Jahre alt. Wie frisch sind die Erinnerungen an die Flucht heute noch?
Die Erfahrungen von damals sind ein Teil von mir. Es ist aber nicht mehr so, dass sie mich belasten, mich runterziehen.
Wie haben Sie diese Flucht, das Erlebte in der Schweiz verarbeiten können?
Dank der Familie war ich nie alleine. Meine Angehörigen haben schliesslich dieselben negativen Erfahrungen gemacht, und wir konnten darüber sprechen. Wichtig war auch, dass wir in der Schweiz schnell die Schule besuchen konnten und so eine gewisse Normalität einkehrte.
Viele Eltern erhielten damals psychologische Hilfe. Damalige Kinder erzählen in der aktuellen Ausstellung, dass sie sich oft mit ihren Problemen alleingelassen fühlten. Wie ist es Ihnen ergangen?
Viele gingen davon aus, dass die Kinder auf der Flucht längst nicht alles mitgekriegt haben. Aus meiner Sicht trifft dies aber nicht zu: Auf einer Flucht wird niemand verschont, auch Kinder nicht. Rückblickend beurteile ich es als Fehler, dass nicht mehr auf die Bedürfnisse der Flüchtlingskinder eingegangen wurde.
Das Gespräch führte Elisa Häni.