Legendär ist Szeemanns Ausstellung «When Attitudes Become Form» 1969 in der Kunsthalle Bern. Der damals 36-jährige Kurator hatte die angesagtesten Künstler aus den USA, Deutschland und Italien nach Bern geholt. Das Publikum kam aus halb Europa.
In Aufruhr geriet die Stadt Bern, als ein Künstler vor der Kunsthalle den Asphalt aufreissen und ein anderer seine Schweizer Militäruniform verbrennen liess. Eines nachts kippten Unbekannte einen Misthaufen vor die Kunsthalle. In der Kunstwelt hingegen hatte Szeemann Bern zu internationaler Ausstrahlung verholfen.
«Er legte mit dieser Ausstellung ein einzigartiges Feuerwerk hin», sagt Kunstkenner Jobst Wagner. Damit habe Harald Szeemann in der Kunstszene das Denken geöffnet: «Die Art und Weise, wie er zum Beispiel das Thema der Kunst als Ware inszenierte - mit Performances und anderen neuen Darstellungsformen - das war Pionierarbeit.»
Szeemanns Thema bleibt aktuell
«Im Kern ging es in Szeemanns Ausstellung darum, die Kunst nicht bloss als Ware zu sehen», sagt Jobst Wagner. Der Unternehmer und Mäzen ist Stiftungspräsident der Kunsthalle Bern. Und das Thema sei aktuell: «Wir leben in einer globalisierten Welt, in der die Kunst - Gegenwartskunst insbesondere - zur Ware, zum Investitionsgut geworden ist.» Szeemann würde dieses Thema wohl wieder aufgreifen, glaubt Jobst Wagner.
Ein anderes Umfeld als heute
Harald Szeemann fand in Bern in den 1960er-Jahren eine lebhafte Kunstszene, erzählt Jobst Wagner: «Markus Raetz, Franz Gertsch, Bernhard Luginbühl, Jean Tinguely und viele andere begannen damals eine wichtige Rolle zu spielen.» Dazu habe Szeemann viele internationale Künstler nach Bern gebracht. Und das Umfeld für die zeitgenössische Kunst sei «weniger gesättigt als heute» gewesen.
Darum könnte wohl auch ein Harald Szeemann das Publikum heute kaum mehr so aufregen wie damals, sagt Jobst Wagner: «Heute sind die Leute abgebrühter. Man hat schon so viel gesehen, so viel erlebt.» Man müsse andere Formen finden, um das Publikum zu erreichen.
Harte Arbeit für die Kunsthalle Bern
«Das Biotop von damals können wir nicht neu erschaffen», sagt Jobst Wagner. «Aber wir können in der heutigen Zeit, die auch spannend ist, Themen finden und vielleicht eine andere Form, um an damals anzuknüpfen.» Und schliesslich gehe es auch darum, wo im riesigen Kulturprogramm weltweit die Kunsthalle Bern eine Lücke für sich finden könne.
Die Kunsthalle wieder mehr ins Bewusstsein zu rücken, das bedeute harte Arbeit. Es brauche ein spannendes Programm: «Wichtige Themen, welche uns heute bewegen.» Jobst Wagner denkt zum Beispiel an das Thema Wohlstand. Und er wünscht sich, dass die neue Leitung den Kontakt zur Berner Bevölkerung verstärken kann, zum Beispiel mit Wirtschaftsaperos oder mit einem Fest in der Kunsthalle Bern.
Im Mai 2015 übernimmt die Kunstkritikerin und Kuratorin Valérie Knoll die Leitung der Kunsthalle.
(Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 12:03 / 17:30 Uhr)