In der Schweiz fehlen einheimische Ärztinnen und Ärzte. Um den Ärztemangel und auch die zunehmenden Abhängigkeit aus dem Ausland zu verringern, hat der Bund Anfang Jahr ein Programm ins Leben gerufen: Innerhalb von vier Jahren soll die Anzahl der Abschlüsse in Medizin von 1100 auf 1300 pro Jahr erhöht werden. 100 Millionen Franken stehen als Anschubfinanzierung für das Programm zur Verfügung.
Es ist nämlich zunehmend umstritten, dass die Schweiz einen Drittel ihrer Medizinerinnen und Mediziner im Ausland rekrutiert und einheimische Interessenten an den Zulassungsbedingungen der hiesigen Universitäten scheitern.
140 Studierende mehr in Bern und Freiburg
Ab 2018 stehen in Bern insgesamt 320 Studienplätze in der Humanmedizin zur Verfügung – das sind 100 mehr als bisher. Zudem unterstützt die Uni Bern die Universität Freiburg bei den Masterlehrgängen. Das schafft weitere 40 Studienplätze in Freiburg, mit Schwergewicht Hausarztmedizin.
Damit ist mehr als die Hälfte des benötigten Zuwachses im ganzen Land sichergestellt.
Schliesslich will die Universität Bern nach rund 20 Jahren wieder ein Vollstudium in Pharmazie anbieten. Damit müssen die Berner Studierenden den Abschluss nicht mehr in Basel, Genf oder an der ETH machen.
«Wir brauchen heute die Erfahrung von Apothekerinnen und Apotheker wieder, für die Forschung und die Grundversorgung. Die Einschätzung der Neunzigerjahre, dass die Internet-Apotheke alles erledigt, hat sich als falsch erwiesen», bilanziert Professor Christian Leumann, Vizerektor Forschung der Uni Bern.
28 Millionen Franken sind zu stemmen
Die Universität und der Kanton Bern werden für die Erhöhung der Studienplätze einen Antrag auf Mitfinanzierung stellen, um vom Programm des Bundes profitieren zu können.
Wie die Universitätsleitung und der Regierungsrat betonen, soll das Programm aber so oder so zustandekommen, also auch ohne Bundesgelder.
25 Millionen für die zusätzliche Aerzteausbildung und drei Millionen für die Pharmazie seien zu bewältigen, so Regierungsrat Bernhard Pulver und Uni-Rektor Martin Täuber am Freitagmorgen.
Bern steht im Standortwettbewerb
Für die Berner Regierung steht allerdings nicht nur Ärztemangel im Vordergrund. Sondern sehr wohl auch der Wettstreit des Medizinalstandortes Bern mit anderen Kantonen und Universitäten. Die Uni Bern und der Kanton wollen sich mit den neuen Ausbildungsplätzen klar positionieren. Da geht's nicht um Medizin, sondern um Politik und Standortmarketing. Bern sei bereit. Neue Angebote an der ETH oder in anderen Kantonen seien überflüssig.
Der Ausbau an der Uni ist auch ein strategischer Entscheid für den Medizinalstandort Bern.
So sei mit der Fusion von Insel und Spitalnetz Bern das grösste Uni-Spital der Schweiz entstanden, man könne genügend Praxisplätze in den Spitälern anbieten für angehende Mediziner, der Ausbau des Insel-Areals sei in vollem Gang und schliesslich sei der Kanton Bern in der Lage, 600 zusätzliche Studierende (100 Studierende pro 6 Ausbildungsjahre) auch unterbringen.
Der Kanton hat das Renfer-Haus beim Zieglerspital in Bern gemietet. «Ein wahrer Glücksfall», sagt Baudirektorin Barbara Egger. Das Renfer-Haus ist ein ehemaliges Spital, sei schnell hergerichtet und eigne sich für die Ausbildung hervorragend.