Eine ähnliche Anwesenheitspflicht für abgewiesene Asylsuchende hat bereits im Kanton Zürich hohe Wellen geschlagen. Der Kanton Bern geht nun noch einen Schritt weiter und erlässt für alle Asylsuchenden, die in Asylunterkünften leben, strenge Anwesenheitsregeln. Davon betroffen sind auch aufgenommene Asylsuchende, solange sie noch in einer Unterkunft leben.
Schlafen diese Personen nur gelegentlich in den Kollektivunterkünften, kann davon ausgegangen werden, dass sie nicht mehr vollumfänglich auf Asylsozialhilfe und auf Betreuung angewiesen sind.
Dagegen wehren sich nun Asylsuchende, wie «Schweiz aktuell» berichtet. Zusammen mit den demokratischen Juristen Bern haben die Asylsuchenden beim Bundesgericht eine Beschwerde gegen den Kanton und die Regelung eingereicht. Einer ihrer Sprecher ist der Eritreer Negasi Sereke, der nicht mehr im Asylverfahren steht. «Es ist wichtig für die Integration, dass die Leute auch auswärts bei Freunden schlafen können», sagt er.
Kritiker sehen Grundrechte verletzt
Unterstützt werden die Asylbewerber von dem «Migrant Solidarity Network» und den demokratischen Juristen Bern. Die neue Regelung, dass die Asylsuchenden fünf Nächte in ihrer Unterkunft verbringen müssen, habe keine gesetzliche Grundlage und verstosse gegen Grundrechte wie etwa die Bewegungsfreiheit, sagt Juristin Alexandra Büchler.
Regierung schweigt
Die neue Regelung steht in einer Weisung, die der Kanton letzten Oktober erlassen hat. Der zuständige FDP-Regierungsrat Philippe Müller will zu der Kritik an seiner Regelung keine Stellung nehmen. Sein Amt schreibt lediglich:
«Schlafen diese Personen nur gelegentlich in den Kollektivunterkünften, kann davon ausgegangen werden, dass sie nicht mehr vollumfänglich auf Asylsozialhilfe und auf Betreuung angewiesen sind. Es geht daher primär um die Kontrolle, ob mit Bundessubventionen/Kantonsgeldern verantwortungsvoll umgegangen wird.»
Vorstösse im Kantonsparlament
Für Diskussionen sorgt die neue Regelung auch im Kantonsparlament. Es sind zwei Vorstösse dazu hängig, die in der Märzsession behandelt werden sollen. Bürgerliche Politiker finden die Regelung sinnvoll.
«Wenn jemand es sich leisten kann, dauernd auswärts zu übernachten, dann muss ich mich fragen, ob er wirklich bedürftig ist», erklärt Werner Salzmann, SVP-Präsident des Kantons Bern und Nationalrat. Man stelle den Asylsuchenden die Unterkünfte zu Verfügung, damit ihnen keine zusätzlichen Kosten entstünden.
Anders sieht das Alexandra Büchler. «Oft ist es so, dass die Leute bedürftig bleiben, auch wenn sie ein paar Nächte auswärts verbringen.»
Auch zu diesem Vorwurf will die Regierung keine Stellung nehmen. Und auch die betroffenen Betreiber von Asylunterkünften bekamen vom Kanton ein Redeverbot und durften «Schweiz aktuell» kein Interview geben.