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Brisantes Bundesgerichtsurteil Kinder von Asylbewerbern haben ein Recht auf Volksschule

In den Bündner Asylzentren gibt es spezielle Schulen nur für Kinder von Asylbewerbern. Wie das «Regionaljournal Graubünden» berichtete, besuchen sie diese teilweise jahrelang. Dies kritisieren Bildungsexperten und Politiker.

Brisant in diesem Zusammenhang sind zwei Bundesgerichtsentscheide zu zwei jugendlichen Asylbewerbern im Kanton Zug. Das Bundesgericht hielt im Mai fest: «Asylbewerber sind grundsätzlich in die Regelschule zu integrieren». Dies erleichtere den Kontakt zu anderen Gleichaltrigen, «was einer gesellschaftlichen Eingliederung zuträglich ist». Eine spezielle Schule sei zwar sinnvoll, um Sprachkenntnisse zu vermitteln, müsse aber «so rasch wie möglich durch die Beschulung in der Regelschule abgelöst werden».

Asylbewerber sind grundsätzlich in die Regelschule zu integrieren.
Autor: Bundesgericht Urteile 2C_892/2018 und 2C_893/2018

In Graubünden besuchen aktuell rund 80 Kinder und Jugendliche eine interne Schule in einem Asylzentrum, davon mehr als die Hälfte länger als zwei Jahre. Haben die Bundesgerichtsurteile Auswirkungen auf Graubünden und wieso stellt sich das höchste Gericht auf diesen Standpunkt? Dazu die Einschätzungen von Johannes Reich, Rechtsprofessor an der Universität Zürich.

Johannes Reich

Professor Universität Zürich

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Johannes Reich ist seit 2018 Professor für Öffentliches Recht, Umweltrecht und Energierecht an der Universität Zürich. Er befasst sich intensiv mit dem Thema Homeschooling.

SRF: Das Bundesgerichtsurteil sagt, dass die geflüchteten Kinder und Jugendliche grundsätzlich in einer normalen Volksschule zu integrieren sind. Wie ist dieses Urteil zu verstehen?

Johannes Reich: Die Bundesverfassung ist da klar. Jedes Kind hat Anrecht auf einen Schulunterricht, der ihn vorbereitet auf ein selbstverantwortliches Leben im modernen Alltag. Dazu gehört, dass der Unterricht eine gewisse thematische Breite hat – und dass ein Kind auch lernt, sich in einen Klassenverband zu integrieren, der unterschiedlich zusammengesetzt ist.

Laut dem gleichen Urteil können Kinder und Jugendliche vorübergehend auch separat beschult werden. Also genau das, was in Graubünden passiert. Wie lange bedeutet vorübergehend?

Das kann man so ganz absolut nicht sagen. Wichtig ist, dass der Grundschulunterricht chancengleich erteilt werden muss. Alle müssen die gleichen Möglichkeiten haben. Wenn gewisse Kinder dauernd eine separate Klasse besuchen müssen, dann besteht das Risiko, dass sie sich nicht in der gleichen Art auf einen modernen Alltag vorbereiteten können – weil ihr Umfeld dort nur ganz spezifische Erfahrungen gemacht hat. Chancengleiche Ausbildung auf Stufe Grundschulunterricht, genau dieses Recht verschafft die Bundesverfassung jedem Kind.

Chancengleiche Ausbildung auf Stufe Grundschulunterricht, genau dieses Recht verschafft die Bundesverfassung jedem Kind.
Autor: Johannes Reich Professor Universität Zürich

In Graubünden gilt die Praxis, dass Kinder und Jugendliche mit einem negativen Asylbescheid grundsätzlich nicht in die Volksschule eingeschult werden. Ist das noch haltbar?

Die Bundesverfassung ist klar. Jedes Kind hat Anrecht auf einen unentgeltlichen und ausreichenden Grundschulunterricht – und zwar unabhängig vom ausländerrechtlichen Status. Diesen Unterschied zu machen, ist aus meiner Sicht nicht zulässig.

In Graubünden gibt es Kinder, die länger als zwei Jahre die interne Schule im Asylzentrum besuchen, deren Unterricht sich von der Volksschule unterscheidet. Müsste man hier nach diesem Bundesgerichtsentscheid über die Bücher?

Hier gibt es zwei Aspekte. Einerseits der eingeschränkte Unterrichtsinhalt, was ein Problem im Hinblick auf die Chancengleichheit ist. Andererseits die zeitliche Dauer. Hier kann es sein, dass man eine gewisse Eingewöhnung braucht und dass die Sprache erlernt werden muss. Da kann man wahrscheinlich einen gewissen Schematismus akzeptieren – beispielsweise, dass ein Jahr nötig ist. Darüber hinaus braucht es aber, ganz spezifische Gründe. Über ein Jahr zu gehen, wird in aller Regel nicht zulässig sein.

Das Gespräch führte Stefanie Hablützel.

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