Es ist eine Rekordzahl. Vor bald einem Jahr sind in Graubünden geschätzte 16'500 Hirsche gezählt worden. In den letzten 20 Jahren nahme damit die Zahl der Hirsche um 50 Prozent zu.
16'500 Hirsche in den Bündner Wäldern sei problematisch. Die Tiere würden die Bäume und damit auch den Schutzwald beschädigen, schrieb letzten Juni der Verband der Bündner Waldeigentümer SELVA. Der Verband forderte deshalb eine Reduktion der Hirschbestände.
Der gestern publizierte Jahresbericht Jagd 2018 zeigt nun, dass die Abschusspläne für das Jahr 2018 nicht erfüllt wurden. Rund 5400 Hirsche hätten geschossen werden sollen, erlegt wurden rund 5000.
SRF: Die Abschusszahlen sind dieses Jahr nicht erreicht worden, was ist der Grund dafür?
Adrian Arquint: Die Jagdbedingungen während der Hochjagd waren nicht optimal. Wir hatten die ersten Tage Nebel und Regen. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass es bei solchen Verhältnissen sehr schwierig ist, den Abschussplan zu erfüllen. Auch während der Sonderjagd waren die Bedingungen nicht optimal. Trotzdem wurden 93 Prozent des Abschussplans erfüllt. Es ist eine grosse Leistung der Jäger.
In den letzten Jahrzehnten hat die Zahl der Hirsche kontinuierlich zugenommen. Sie lag letzten Frühling bei 16'500 Hirschen. 1998 legte die Regierung den Zielbestand auf 11'000 Hirsche fest. Müssen Sie bei der Organisation der Bündner Jagd über die Bücher?
Als die Regierung damals eine Zahl festlegte, ging man von 10'000 Hirschen aus und erkannte dann, dass dies nicht erreichbar ist...
... also eine noch tiefere Zahl, als der Bund in seinem Bericht erwähnte...
Genau. Ich glaube, mit den Kenntnissen, die wir heute haben, ist es nicht unbedingt immer zwingend eine Frage nach der Anzahl der Tiere, es ist eine Frage der Verteilung dieser Tiere.
Trotzdem, im Jahresbericht steht, es hat zu viele Hirsche, was wäre dann die richtige Zielgrösse für den Hirschbestand in Graubünden?
Das kann ich nicht sagen. Wir haben sicher von der Lebensraumkapazität her in Graubünden im Winter hohe Bestände. Auch weil es vor den zwei strengen Wintern milde Winter gab. Damals konnten sich die Bestände gut entwickeln. Da haben wir gesehen, dass die Lebensraumkapazität begrenzt ist. Man muss aber sagen, nicht im ganzen Kanton. Es gibt punktuell ganz sicher Konflikte zwischen Wald und Wildtier, vielleicht auch Landwirtschaft und Wildtier, aber längst nicht überall.
Das Amt hat also keinen Zielbestand mehr, den man anstrebt? Den Frühjahresbestand, diesmal 16'500, kommunizieren Sie immer.
Für uns ist das ein Richtwert um den Abschussplan zu erfüllen. Viel wichtiger sind aber weitere Kriterien – wo haben wir Probleme, wo keine. Das können Wald-Wild-Konflikte sein, solche mit der Landwirtschaft aber auch wenn Unfälle wegen des hohen Bestands zunehmen. Aber auch Krankheiten bei den Wildtieren oder ihre Kondition. Das sind alles Kriterien, die uns aufzeigen, ob die Lebensraumkapazität erfüllt ist oder eben nicht.
Könnten in Graubünden also auch noch mehr Hirsche leben?
Das ist durchaus möglich. Es kommt auf den Zeitpunkt drauf an. Der Winter ist der Engpass. Vielleicht gibt es Gebiete, wo mehr Hirsche leben könnten. Es ist aber auch ganz klar so, dass wir an der oberen Grenze vom Bestand sind. Ich möchte einfach damit sagen, dass wir sicher gebietsweise mehr Konflikte haben als in anderen Gebieten.
Das Gespräch führte Stefanie Hablützel.