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Graubünden Die Seligsprechung von Rusca: eine Provokation

Nicolò Rusca (1563–1618) war Veltliner, Widerstandskämpfer und ein erbitterter Gegner des Protestantismus. Am 21. April soll der streitbare Erzpriester seliggesprochen werden. Vor allem für die Bündner Protestanten ist dies eine Provokation.

Der Churer Bischof Vitus Huonder reagierte schnell, als im vergangenen Frühjahr die Seligsprechung des ehemaligen Veltliner Erzpriesters Nicolò Rusca bekannt wurde. Obwohl sich Huonder bis dahin nicht als grosser Förderer der Ökumene hervorgetan hatte, wurde er umgehend beim Dekan der Evangelisch-reformierten Landeskirche Graubünden, Thomas Gottschall, vorstellig und schlug eine gemeinsame Erklärung vor. Der Dekan ergriff die ausgestreckte Hand des Bischofs und gemeinsam riefen sie zur Versöhnung der beiden Kirchen auf.

Kritische Protestanten

«Die gemeinsame Erklärung war kirchenpolitisch gesehen sehr klug», sagt Reinhard Kramm, Redaktor von «Reformiert Graubünden». Die evangelisch-reformierte Zeitung beschäftigt sich in ihrer aktuellen Ausgabe dennoch kritisch mit der Seligsprechung von Rusca, die am 21. April in Sondrio (Italien) erfolgen wird. «Mit der Seligsprechung von Nicolò Rusca wird in Kauf genommen, dass sich viele Protestanten beleidigt fühlen. Darüber konnten wir nicht einfach hinweggehen», sagt Kramm.

Gemälde: Mann mit Kreuz
Legende: Umstrittener Seliger: Rusca stört den Religionsfrieden. zvg

Der historische Hintergrund: Der katholische Geistliche Rusca setzte sich als Widerstandskämpfer gegen die Bündner zur Wehr, die damals das Veltlin besetzt hielten. Dabei war er nicht zimperlich. Ihm werden gar blutige Attentate auf verschiedene reformierte Exponenten nachgesagt. Rusca wurde später vor dem Strafgericht Thusis angeklagt und starb dort an den Folgen von Folter. Zwei Jahre nach dem Mord an Rusca kam es zu den sogenannten Veltliner Morden, bei denen 600 Menschen evangelischen Glaubens getötet wurden.

Die Seligsprechung Ruscas kratzt also an alten Wunden. Das Bistum Como drängt dennoch seit den Zwanzigerjahren darauf. Erich Wenneker, Pfarrer und Spezialist für Bündner Kirchengeschichte, bezeichnet Ruscas Seligsprechung gegenüber «Reformiert Graubünden» als fragwürdigen Vorgang. Im Verständnis der Römisch-katholischen Kirche, so Wenneker, sollte ein Seliger ein Vorbild im Glauben sein. «Doch wer kann für uns und unsere römisch-katholischen Mitbrüder ein Vorbild sein, wenn er die Bekämpfung des Protestantismus für richtig erachtet?»

Chur stellt sich hinter Rom

Wie die gemeinsame Erklärung der beiden Kirchen zeigt, ist man sich beim Bistum Chur der widersprüchlichen Wahrnehmung der Person Ruscas durchaus bewusst. Kritik an dessen Seligsprechung, die in Rom entschieden wurde, gibt es dennoch nicht. Auf die Frage, ob das Bistum die Seligsprechung Ruscas für richtig und angemessen halte, teilt Bischofssprecher Giuseppe Gracia mit: «Das Bistum Chur steht hundertprozentig hinter jeder Entscheidung aus Rom, naturgemäss auch im Falle von Seligsprechungen.»

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