Im Auftrag des Bundesamts für Kultur untersuchte das Zentrum für Demokratie Aarau, wie nützlich die Massnahmen zur Erhaltung und Förderung der rätoromanischen und italienischen Sprache in Graubünden bislang waren. Die Evaluation ist Grundlage für die kürzlich erschienene Kulturbotschaft des Bundesrats.
Die Studie kommt unter anderem zum Schluss, dass es mit der Umsetzung des Sprachengesetzes in Graubünden harzt. In der Pflicht stehe dabei der Kanton. Dieser delegiere seine Verantwortung zu stark an die Sprachenorganisationen.
Die Gefahr sei real, dass die Romanischkenntnisse weiter sinken und «bereits mittelfristig die Gefahr einer existentiellen Bedrohung» besteht. Studienleiter Corsin Bisaz erklärt im Interview, mit welchen Massnahmen Rätoromanisch und Italienisch gefördert werden können.
SRF News: Corsin Bisaz, sie haben die aktuelle Situation der rätoromanischen und italienischen Sprache in Graubünden untersucht. Wo steht das Rätoromanische?
Corsin Bisaz: Unser Fazit ist, dass das Rätoromanisch stark unter Druck ist. Und das selbst in den angestammten Sprachgebieten. So ist beispielsweise auch in einsprachig romanischen Gemeinden das Deutsch weit verbreitet.
Ein Ergebnis ihrer Studie ist, dass es im Sprachunterricht Mängel gibt. Was ist dort das Problem?
Während der Bildungskette – also vom Kindergarten bis allenfalls zur Universität – kann man beobachten, dass vom rätoromanischen Idiom ins Rumantsch Grischun und zurück zum Idiom gewechselt wird. Und an Mittelschulen ist es nicht selten der Fall, dass der Romanisch- und auch der Italienischunterricht gestrichen oder gekürzt wird.
Verschiedene Medien haben berichtet, dass laut ihrer Studie die Amtssprache Rumantsch Grischun im Alltag gescheitert ist. Stimmt das?
Nein, das war nicht der Gegenstand unserer Studie. Was wir aber festgestellt haben, ist, dass die Situation im Kanton Graubünden bezüglich der verwendeten Sprachen, beispielsweise im Sprachunterricht oder auf Verwaltungen, sehr heterogen ist.
Die Sprachen müssen gleich behandelt werden.
Dementsprechend befinden sich die Förderungsmassnahmen in einem sehr komplexen Umfeld.
Zur zweiten Minderheitensprache in Graubünden: Wo liegt das Problem beim Italienischen?
In erster Linie gibt es hier ein Problem bei der kantonalen Verwaltung. Dort spielt das Italienische eine sehr untergeordnete Rolle. Bei Bewerbungen wird häufig die Anforderung gestellt, dass sich jemand perfekt auf Deutsch äussern kann, was das Italienische in der Verwaltung marginalisiert.
Eine der Förderungsmassnahmen, die sie nun vorschlagen, ist deutlich mehr Geld in den Bildungsbereich zu investieren. Wird nicht schon jetzt viel Geld in diesen Bereich investiert?
Das mag schon richtig sein, dass da schon jetzt viel Geld investiert wird. Das Problem ist, dass rätoromanische oder italienischsprachige Lehrmittel häufig verspätet und nicht zufrieden stellender Qualität erschienen sind.
Was muss sich ändern?
Grundsätzlich müssen die Lehrmittel gleichzeitig auf Deutsch, Rätoromanisch und Italienisch und in gleicher Qualität erscheinen. Die Sprachen müssen gleich behandelt werden.
Und ausserhalb des Bildungsbereichs?
Beim Rätoromanischen ist vor allem die Förderung ausserhalb des traditionellen Sprachgebiets wichtig. Denn es gibt eine grosse Romanischgemeinde ausserhalb des traditionellen Sprachgebiets, innerhalb und ausserhalb des Kantons Graubünden gibt, welche nicht in den Genuss des Romanischunterrichts kommt.
Das Gespräch führte Stefanie Hablützel.