Gut 500 Meter lang ist sie, die Linsebühlstrasse, am östlichen Rand der St. Galler Altstadt. Manche sagen, es seien die einzigen 500 Meter Grosstadt in St. Gallen. Andere meiden das Quartier immer noch - zu schmuddelig, zu weit entfernt vom Zentrum. Ein Rundgang durch das Linsebühl allerdings zeigt: Das Quartier hat sich gewandelt. Heute kämpft es einzig noch gegen seinen schlechten Ruf.
Ein Ort der Sünde
Zu Unrecht. Zwar war das Linsebühl, oder «Lisebühl», wie seine Bewohnerinnen und Bewohner es nennen, einst ein Ort der Sünde.
Rote Fenster leuchteten, die Frauen standen «ab und zu auch im durchsichtigen Negligée auf den Strassen», sagt Bruno Pfiffner von Velo-Moto-Pfiffner gegenüber der Sendung «Regionaljournal Ostschweiz». Doch heute ist der Strassenstrich verschwunden. Und mit ihm die Rocker, die Beizengänger, denen das Leben nicht immer wohlgesinnt war.
Heute zeugen einzig ein paar übrig gebliebene Sexshops von der Rotlicht-Vergangenheit. Die verschiedenen Kulturen und Menschen aber sind geblieben; das Linsebühl-Quartier ist auch heute noch bunt gemischt. Und es zieht junges und urbanes Volka an - wegen dem «Kaffehaus» und dem kürzlich eröffneten «Kafi Franz», das ebenso gut in einem hippen Stadtteil von Zürich oder Berlin stehen könnte.
Nachhaltige Veränderung
Der Wandel verlief langsam und wurde von der Bevölkerung angestossen», sagt Patrick Roth, Präsident vom Quartierverein «Südost». «Grosse Investoren und die Stadt haben sich lange nicht für uns interessiert.» Doch das sei gut so, ein Wandel sei viel nachhaltiger, wenn die treibende Kraft nicht primär das Geld sei. Angesprochen auf den schlechten Ruf, der noch immer am Linsebühl haftet, lächelt er und sagt: «Ich glaube, der schützt uns - davor, dass wir nicht überrannt werden.» Und vor Entwicklungen, die man vor allem in Grossstädten beobachtet: Ganze Stadtteile werden aufgewertet und piekfein herausgeputzt, Wohlhabende ziehen ein und verdrängen die ursprünglichen Bewohner.