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Juden in Zürich «Die antisemitischen Äusserungen im Internet sind beängstigend»

Insgesamt 39 Fälle von Antisemitismus sind in der Deutschschweiz im Jahr 2017 gezählt worden. Ein grosser Teil davon im Kanton Zürich. Das zeigt der Bericht des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG).

Im Interview mit dem «Regionaljournal» erzählt der Generalsekretär des SIG, wie er Antisemitismus in Zürich am eigenen Leib erlebt hat. Und wie das Internet die Hassreden befeuert.

Zur Person

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Jonathan Kreutner ist Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, des grössten jüdischen Dachverbandes. Der 39-Jährige ist in Zürich geboren und aufgewachsen. Kreutner ist Nachkomme von Holocaust-Überlebenden.

SRF News: Im vergangenen Jahr wurde in Zürich ein Rabbiner beim Spazieren am See angegriffen, ein Jugendlicher mit Kippa wurde angespuckt und ein Vertreter des Gemeindebundes erhielt ein Paket mit Fäkalien. Ist es gefährlich als Jude in Zürich?

Jonathan Kreutner: Absolut nicht. Aus diesen Vorfällen kann man nicht die generelle Aussage treffen, dass Juden in Zürich gefährdet sind. In anderen Städten ist die Situation bedeutend schlimmer. Natürlich ist jeder Einzelfall für sich genommen gravierend. Aber man muss auch sagen: Tätliche Angriffe sind hier selten, die schlimmen Fälle geschehen anderswo.

Damit sprechen Sie antijüdische und antisemitische Äusserungen im Internet an?

Unser Jahresbericht macht sichtbar, wie ungehemmt Leute im Internet antijüdische – und generell rassistische – Parolen von sich geben. Der Antisemitismus hat sich ins Internet verlagert und es ist beängstigend, wie offen dort gegen Juden gehetzt wird. Es werden strafrechtlich relevante Aussagen gemacht – und zwar oftmals nicht anonym, sondern unter dem echten Namen.

Sie selber sind in der Stadt Zürich aufgewachsen. Haben Sie persönlich in Ihrer Kindheit Antisemitismus erlebt?

Ich denke, jeder Jude kennt solche Erfahrungen. Selber war ich an meiner Schule in Zürich-Höngg konfrontiert mit einer Lehrerin, die gewisse Vorurteile dem Judentum gegenüber hatte. Das ist mir als Kind schon geblieben.

Heute kämpfen andere Religionen ebenfalls mit Klischees und Vorurteilen. Gehen Sie auf diese zu, beispielsweise auf muslimische Verbände?

Gerade mit muslimischen Gruppen arbeiten wir sehr eng zusammen. Man darf mit Stolz behaupten, dass die Kooperation zwischen Muslimen und Juden in der Schweiz einen gewissen Vorbildcharakter hat für ganz Europa. Wir sprechen uns ab etwa beim Thema Sicherheit. Zürich spielt hier eine Vorreiterrolle: Bereits vor ein paar Jahren haben wir hier die erste Veranstaltung durchgeführt, bei der sich Menschen aus dem Islam und dem Judentum begegnet sind.

Das Gespräch führte Hans-Peter Künzi.

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