Im Juni 2015 sagte das Winterthurer Stimmvolk deutlich Ja zu einem Rahmenkredit von über 70 Millionen Franken für den Energieversorger Stadtwerk. Was die Stimmbevölkerung zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Eines der Projekte, die Wärme Frauenfeld AG, war finanziell in Schieflage geraten. Erst neun Tage nach der Abstimmung wurde die Öffentlichkeit darüber informiert, dass eine millionenteure Sanierung des Projekts notwendig werden könnte.
Gegenüber der Zeitung «Landbote», die den Fall publik machte, erklärte der Vorsteher der Winterthurer Stadtwerke, der Grüne Stadtrat Matthias Gfeller: «Ich habe es begrüsst, dass in Frauenfeld keine Jahresabschlusszahlen kurz vor einer Volksabstimmung in Winterthur veröffentlicht worden sind.» Sonst, so Gfeller, hätte man dies auch bei allen anderen Projekten machen müssen, die von dem 70-Millionen-Kredit profitiert hätten.
Harsche Kritik von rechts
Gfellers Haltung stösst bei den Winterthurer Parteien auf wenig Verständnis. FDP-Gemeinderat und Parlamentspräsident Markus Wenger forderte am Samstag auf Facebook Matthias Gfeller deutsch und deutlich zum Rücktritt auf. Etwas zurückhaltender äusserte sich sein Parteikollege Felix Helg: «Das Vertrauen in Matthias Gfeller ist stark beeinträchtigt.» Ähnlich tönt es bei SVP-Gemeinderat Daniel Oswald: Er verlangt, dass Matthias Gfeller enger begleitet und kontrolliert wird. «Herr Gfeller ist so eifrig zu beweisen, was in alternativen Bereichen alles möglich ist, dass ihm für gewisse Entscheidungen die Distanz fehlt», so Oswald.
Kommission nicht informiert
Besonders stossend sei, dass die für Energiefragen zuständige parlamentarische Sachkommission Bau und Betrieb nichts vom Debakel bei der Wärme Frauenfeld AG gewusst habe, sagt SP-Gemeinderätin Christa Meier. Sie ist Mitglied der Kommission. «Ob die Angelegenheit damals schon an die Öffentlichkeit gehört hätte, kann ich nicht beurteilen. Aber zumindest die Sachkommission hätte die nötigen Informationen erhalten sollen», sagt Christa Meier.
Grüne nehmen Gfeller in Schutz
Bei Gfellers Partei kommen all diese Vorwürfe nicht gut an. Reto Diener, Parteipräsident der Grünen der Stadt Winterthur, findet die Forderungen der anderen Parteien «völlig überrissen und inadäquat». Wenn, dann sei nicht Gfeller allein für das Informationsverhalten verantwortlich, sondern der gesamte Winterthurer Stadtrat. Dem widerspricht allerdings, was der Winterthurer Stadtrat in seiner mageren Mitteilung zu den Vorwürfen schreibt: Man habe keinerlei Information zurückbehalten und auch nie einen Beschluss gefasst, dies zu tun.
Wir hatten keine Informationen und haben der Öffentlichkeit deshalb auch keine Informationen vorenthalten.
Stadtpräsident Michael Künzle sagte auf Anfrage des «Regionaljournals», der Stadtrat habe nur einmal oberflächlich von gewissen Problemen einer Fernwärmefirma gehört. Dies sei jedoch im Rahmen der üblichen internen Projektberichterstattung geschehen. Der Stadtrat habe also keine brisanten Informationen gehabt und sie deshalb auch nicht zurückbehalten.
Abklärungen laufen schon
Der Winterthurer Stadtrat will die Vorwürfe nun sehr genau abklären. An einer Krisensitzung hat er sich bereits am Montag mit der Sache befasst. Nun sollen sämtliche Beteiligten befragt werden, und an der ordentlichen Sitzung vom Mittwoch will der Stadtrat den Fall aufarbeiten. Die Öffentlichkeit soll «zu gegebener Zeit» informiert werden, heisst es aus Winterthur.