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Wochengast Jacqueline Fehr «Es ist ein Stück weit das Prinzip Hoffnung, das man verfolgt»

Diese Woche hat das Bezirksgericht Dielsdorf den 24-jährigen Brian zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Es schob die Strafe zugunsten einer stationären Massnahme auf. Das Gericht sieht eine kleine Chance, dass eine Therapie wirken kann. Strafmildernd beurteilte das Gericht die schwere Kindheit Brians und dessen Erfahrungen mit der Justiz. Zum Beispiel den Abbruch des sogenannten Sondersettings, was das Bundesgericht als ungerechtfertigt eingestuft hatte.

Die «kleine Verwahrung» ist die höchste Strafe, die bisher gegen Brian ausgesprochen wurde. Er war angeklagt, weil er zahlreiche Polizisten, Mithäftlinge und Gefängnisangestellte angegriffen hatte. Brian zieht das Urteil des Bezirksgerichts ans Obergericht weiter.

Als Regionaljournal-Wochengast nimmt die Zürcher Justizdirektion Stellung zum «Fall Carlos».

Jacqueline Fehr

Justizdirektorin Kanton Zürich

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Die 56-Jährige ist in Winterthur aufgewachsen. Sie sass für die SP von 1998 bis 2015 im Nationalrat, dann wurde sie in die Zürcher Regierung gewählt. Seither steht sie der Direktion der Justiz und des Innern vor.

SRF: Es ist nun also nicht die ordentliche Verwahrung, wie vom Staatsanwalt gefordert, aber auch keine baldige Freilassung. Brian muss eine Therapie machen. Was sagen Sie zum Urteil?

Jacqueline Fehr: Ich ziehe den Hut vor dem Richter. Die Sorgfalt, die Umsicht, das Bemühen, das Urteil zu begründen, hat mich sehr beeindruckt. Das Urteil kommentiere ich als Justizdirektorin natürlich nicht. Aber ich lese aus den Worten des Richters, dass er der Meinung ist, Brian solle noch eine allerletze Chance erhalten.

Brian hat sich immer gegen Therapien gewehrt, und hat dem Justizvollzug den «Krieg» erklärt. Ausgerechnet dort soll er ein besserer Mensch werden?

Erstens steht ihm nun wirklich ein sehr intensives Therapieprogramm bevor. Zweitens gibt es diese kleine Chance, sagt der Richter. Brian ist immer noch ein junger Mensch, es ist nicht ausgeschlossen, dass in seiner Entwicklung noch etwas passiert. Und drittens hat Brian selber den Schlüssel zur Freiheit jetzt selber in der Hand. Er kann sich in die Freiheit «kämpfen», wenn er das Angebot annimmt und an sich arbeitet.

Funktioniert hat bei Brian das sogenannte Sondersetting, das die Jugendanwaltschaft für ihn angeordnet hatte. Es wurde nach einer Welle der Empörung (die Intensiv-Betreuung kostete fast 30'000 Franken pro Monat) abgebrochen. War das ein Fehler?

Aus der heutigen Perspektive kann ich das nicht beurteilen. Und wir müssen auch präzis sein. Es hat insofern funktioniert, dass es zu einer Stabilisierung führte. Aber das Setting hat überhaupt noch nicht bewiesen, dass es auch dann funktioniert, wenn Brian mit Frustrationen konfrontiert wird, wenn er auf eigenen Beinen stehen muss. Er war damals in einer Art «pädagogischen Watte», das war ein erster Schritt. Aber ein solches Setting kann man nicht über viele Jahre anordnen. Irgendwann wäre der Übergang in eine andere Massnahme gekommen. Und ob das funktioniert hätte, bleibt offen.

Haben Justizdirektion und Justizvollzug denn keine Fehler gemacht?

Doch, wir haben in diesem Fall verschiedene Fehler gemacht. Ich denke, es wurden alle aufgearbeitet, und es wurden die Lehren gezogen, zum Beispiel nach den Vorfällen im Untersuchungsgefängnis Pfäffikon. Aber die These, das System habe Brian zu diesem Menschen gemacht, die muss man zurückweisen. Und was die aktuellen Haftbedingungen in der Strafanstalt Pöschwies angeht, muss ich sagen, da läuft alles korrekt.

Das Gespräch führte Vera Deragisch. Sie finden es in voller Länge im Audio-File.

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