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Bundespräsident 2018 Präsidial-«Arena» mit Alain Berset

Wie kann das Verhältnis mit der EU geklärt werden? Bundespräsident Alain Berset hat ein intensives Jahr vor sich.

Bundespräsident Alain Berset steht vor einem Jahr mit einigen politischen Herausforderungen: Noch frisch ist der Ärger mit der Europäischen Union und der steigende Druck für die Schaffung eines Rahmenabkommens. Dann scheiterte Sozialminister Berset mit der Rentenreform an der Urne und steht vor dem Problem der kontinuierlich steigenden Gesundheitskosten.

Es geht aber nicht nur um Sachfragen, sondern auch um die demokratischen Spielregeln und die Bedeutung der Institutionen. Für viele Leute ist die direkte Demokratie entzaubert: «Die ds'Bärn obe, machen sowieso, was sie wollen». Beispiele dafür sind etwa die unbefriedigende Umsetzungen der Masseneinwanderungs-Initiative, der Ausschaffungs-Initiative oder der Zweitwohnungs-Initiative.

Alain Berset und Jonas Projer.
Legende: Alain Berset in der Präsidial-«Arena» im Gespräch mit Jonas Projer. SRF

Bundespräsident Alain Berset sieht das nicht so: «Diese Initiativen haben alle grosse Auswirkungen gehabt. Bei der Zweitwohnungs-Initiative: Fragen Sie einmal in den betroffenen Kantonen nach.»

Aber es gebe bei Volksinitiativen immer einen Grundsatzentscheid und danach die Umsetzung durch die Institutionen. «Und es wäre falsch, das Volk gegen die Institutionen auszuspielen. Das Volk ist die Quelle der Macht und der Institutionen, aber danach gibt es die Institutionen, die funktionieren, weil das das Volk so gewollt hat.»

Alternativlose Europapolitik?

«In der «Arena»:

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Mit dem Bundespräsidenten diskutieren:

Auch bei der Europapolitik herrscht der Eindruck vor, sie sei alternativlos. Sie ist, wie sie ist und an den bilateralen Verträgen mit der EU ist nicht zu rütteln. Auch hier äussert sich Berset mit einem «Nein». «Es gibt immer Alternativen. Die Frage ist, welche ist die Beste. Denn auch schon die Bilateralen waren eine Alternative zum EWR [Europäischen Wirtschaftsraum]. Das Volk hat 1992 dazu Nein gesagt und der bilaterale Weg war die Alternative, die man entwickelt hat.»

Bei der Europapolitik treten dann die Parteipräsidenten in die «Arena»: Albert Rösti formuliert seinen Wunsch an den Bundespräsidenten höflich: Als primus inter pares müsse Berset das Land repräsentieren. «Und weil der Bundespräsident alle Jahre wechselt, ist es wichtig, dass in der Aussenpolitik Kontinuität herrscht. Er sollte sich in den Fachdossiers eher etwas zurücknehmen.»

Moderator Jonas Projer übersetzt das etwas weniger höflich: «Finger weg von der Europapolitik!» Berset steckt das weg und betont die Bedeutung des Bundesrats als Kollegialbehörde, wo auch heftige Diskussionen geführt würden, bis es am Ende eine gemeinsame Position gebe.

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Aber nicht einverstanden ist Berset mit der Kritik, die Bundespräsidentin 2017, Doris Leuthard, habe viel zu viel gemacht und selber übernommen. «Es war ein spezielles Jahr, weil ein Mitglied [Aussenminister Burkhalter] zurückgetreten ist. Das hat eine gewisse Erwartung an die Bundespräsidentin geschaffen.»

Regula Rytz äussert den persönlichen Eindruck, «dass gerade im letzten Jahr jeder Bundesrat mit einer anderen Stimme gesprochen und in eine andere Richtung gezogen hat - sei es bei der Kohäsionsmilliarde oder beim Rahmenabkommen.»

Den Eindruck bestätigt auch Petra Gössi : «In den letzten Jahren ist jeder Bundesrat mit ‹seinem› Dossier nach Brüssel gegangen – das geht nicht.» Dann spreche immer ein anderer Bundesrat in Brüssel und in der Schweiz herrsche das Gefühl vor, es bestehe gar keine Einigkeit. «Es muss klar sein, wer für das Europa-Dossier zuständig ist. Und es ist naheliegend, dass der Aussenminister dafür zuständig ist.»

Dieses Jahr werde ich mich wirklich bemühen, dass wir eine Sprache finden und eine gute Koordination erreichen können in allen Dossiers.
Autor: Alain Berset Bundespräsident 2018

Eiszeit in der Beziehung Schweiz-EU

Die Parteien seien sich einig, sagt Rösti: «Man hat sich über den Tisch ziehen lassen. Man hat die Masseneinwanderungs-Initiative nicht umgesetzt, zugunsten der EU. Man hat ohne Gegenbedingungen 1,3 Milliarden Franken versprochen. Die Schweiz kam auf eine graue Liste, hat die Börsenanerkennung nicht erhalten und nun verlangt die EU einen Rahmenvertrag mit automatischer Rechtsanpassung.»

Berset betont, dass tatsächlich unsere Nachbarn auch merkten, dass es in der Schweiz keine Einigkeit gebe. «Das schwächt unsere Position. Und wir sind auch ein wenig Opfer des Brexit», sagt Berset. Für die EU sei völlig klar: Wenn man der Schweiz etwas gibt, spiele das eine Rolle bei den Brexit-Verhandlungen mit Grossbritannien.

Leider sei den Menschen in der Schweiz zu wenig bewusst, was Europa für einen Wert habe, sagt Rytz. «Wir müssen Europa stärken als Zusammenschluss von Ländern, die friedlich und im Wohlstand zusammenleben. Dann kommen wir auch von dieser kleinkrämerischen Diskussion um diese Kohäsionsmilliarde usw. weg.»

Tatsächlich sei das grosse Verdienst der EU der Friede in Europa. «Aber jetzt geht es darum, unser Verhältnis mit der EU regeln. Es kann nicht angehen, wenn man hört, das Verhältnis hat sich normalisiert und stellt dann fest, wir haben in der EU nicht ein Land, das zu unseren Freunden zählt. Es geht nur um knallharte Interessenspolitik.»

Ich werde in der neuen Zusammensetzung des Bundesrates, auch mit Herrn Cassis, wirklich eine Auslegeordung machen.
Autor: Alain Berset zur Europapolitik im Bundesrat

Die grösste Hürde mit der EU ist derzeit der institutionelle Rahmenvertrag. Das Problem sei aber, man wisse nicht, was in diesem Rahmenvertrag wirklich drin steht, sagt Gössi. Und Rösti warnt vor dem Verlust von Souveränität bei einer automatischen Rechtsanpassung.

Die Position des Bundespräsidenten bleibt bei diesem Punkt konstruktiv: «Jeder Vertrag kommt zur Diskussion ins Parlament und am Schluss zu einer Volksabstimmung. Das muss so sein, auch in dieser Sache.»

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