Gestern war in vielen Kantonen der erste Schultag – für Tausende kleine Mädchen und Jungen wurde es ernst. Im Klassenzimmer dürften sich erstere deutlich wohler fühlen als letztere: Denn für viele Jungs ist der klassische Unterricht, mit Stillsitzen und Zuhören, nichts. Entsprechend sind Mädchen in der Schule tendenziell auch erfolgreicher unterwegs.
Doch das muss nicht sein, sagen Bildungsexperten jetzt. Geschlechtergetrennte Klassen würden den Jungs helfen. Quasi Schule wie zu Grossmutters Zeiten.
Praktiziert wird dieses Modell bereits an der Katholischen Kantonssekundarschule «Flade» in St. Gallen. Die dritte Oberstufe besteht hier aus elf reinen Buben-Klassen. Ihr Lehrer, Pascal Hanselmann, hat auch schon gemischte Klassen unterrichtet. Er ist jedoch der Meinung, dass reine Buben-Klassen den Bildungserfolg seiner Jungs fördern.
So sei es für die Jungs viel einfacher, sich auf den Schulstoff zu konzentrieren, wenn nicht links und rechts das andere Geschlecht sitze. Denn das sei durchaus spannend, und man müsse sich nicht störend verhalten, um als «cool» zu gelten.
Fokus auf soziale und emotionale Kompetenzen
Die elf Buben-Klassen der Sekundarschule «Flade» in St. Gallen sind in der Schweiz ein pädagogischer Sonderfall. Sie sind ein Relikt der ehemaligen Klosterschule, gegründet vor 210 Jahren. Auch hier gilt heute der Lehrplan 21, er wird aber anders umgesetzt.
Statt auf Frontalunterricht fokussiert der heutige Lehrplan auf selbstorganisiertes Lernen, auf soziale und emotionale Kompetenzen. Anforderungen, die vor allem den Mädchen zugutekämen. Viele Buben würden abgehängt, sagt der Jugendpsychologe Allan Guggenbühl, und schlägt zum ersten Schultag Alarm.
Denn wenn eine Lehrerin versuche, eine Beziehung mit ihren Schülern aufzubauen, irritiere dies viele Knaben. Es interessiere sie nicht und sie wollten stattdessen lieber wissen, was sie wo machen müssten.
Mädchen an höheren Schulen besser vertreten
Fest steht: Mädchen sind heute in der Schule erfolgreicher. Buben werden häufig später eingeschult, die Maturitätsquote der jungen Männer liegt acht Prozent tiefer als jene der Mädchen. Und an den Universitäten ist das weibliche Geschlecht in Überzahl. Allan Guggenbühl spricht von einer Buben-Krise in der Volksschule.
Mögliche Auswege aus der Buben-Krise sieht er in geschlechtergetrennten Klassen oder separatem Fach-Unterricht. Elsbeth Stern, Leiterin des Instituts für Verhaltensforschung an der ETH, sieht es anders. Die Volksschule sei nicht bubenfeindlich, sagt sie.
So gebe es keinerlei Beweise, dass eine getrenntgeschlechtliche Unterrichtsform für beide Geschlechter gut sei.
Wir leben in einer Welt, in der man zusammenarbeiten muss. Es wäre völlig unnatürlich, wenn man sagte, es gäbe eine Mathematik für Mädchen und Junge.
An der Kantonssekundarschule «Flade» in St. Gallen gibt es zwar auch gemischte Klassen. Am geschlechtergetrennten Unterricht für Buben und Mädchen will man jedoch festhalten – und dies nicht nur wegen der Tradition.