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Plakat vom Frauenstreiktag 1991
Legende: Die Forderungen von damals sind die Forderungen von heute. keystone

Schweiz «Der Frauenstreiktag hat viel bewirkt»

«Wenn Frau will, steht alles still», lautete die Devise heute vor 25 Jahren, am Frauenstreiktag. Rund eine halbe Million Frauen gingen auf die Strasse und forderten gleiche Löhne für gleiche Arbeit. Diese Forderung ist bis heute nicht erfüllt. Die Historikerin Elisabeth Joris blickt zurück.

SRF News: Wie haben Sie persönlich den Frauenstreiktag am 14. Juni 1991 erlebt?

Elisabeth Joris: Damals unterrichtete ich an einer Mittelschule. Am Morgen fuhr ich mit dem Velo zu Arbeit und habe mir gedacht, dass kein Bus und kein Tram fahren würde. Aber man merkte gar nichts. In der Schule hat ein bedeutender Teil der Lehrerinnen verschiedene Aktionen vorbereitet. Sie haben nicht gestreikt, sondern sie haben den Schulunterricht in den Rahmen des Frauenstreiks gestellt und mit den Schülerinnen ganz unterschiedliche Aspekte thematisiert. Und die Frauen, die nicht mitmachten, die Knaben und die Lehrer hatten normal Schule. Es war ein Frauenstreikaktionstag. Es gab allen ein gutes Gefühl, man hat die gesellschaftlichen Fragen thematisiert.

Elisabeth Joris

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Legende: Keystone

Joris ist Historikerin. Siepublizierte zahlreiche Beiträge zur Frauen- und Geschlechtergeschichte der Schweiz. 1986 hat sie mit Heidi Witzig eine pionierhafte Quellensammlung zur Frauengeschichte der Schweiz herausgegeben. 2010 hat sie an der Universität Zürich promoviert. Joris war auch Mitherausgeberin der feministischen Zeitschrift Olympe.

Welche Aktionen sind Ihnen denn in Erinnerung geblieben?

Stark in Erinnerung geblieben ist mir die Aktion in den Kaufhäusern. Man ging mit Klappstühlen hin und sagte den Verkäuferinnen: ‹Nehmen Sie Platz, Madame›. Denn das Verkaufspersonal darf nicht sitzen, es muss immer stehen, auch wenn gar niemand da ist. Die meisten Verkäuferinnen haben das nicht gemacht, sie trauten sich nicht. Dennoch haben sie gesagt, dass sie froh waren, dass man ihre strengen, oft auch ungesunden Arbeitsbedingungen überhaupt zu Kenntnis nahm.

Welche Missstände haben die Frauen denn angeprangert, abgesehen von der Lohnungleichheit?

Das war die Unterrepräsentation der Frauen in der Politik und in wichtigen Positionen, denken Sie daran, dass es im Bundesrat damals keine Bundesrätin gab. Wenige Jahre gab es mit Elisabeth Kopp eine Frau Danach vertrat die Frauen wieder niemand mehr in der eidgenössischen Regierung. Auch sonst gab es in den Exekutiven wenige Frauen, auch in der Wirtschaft in wichtigen Positionen. Diese Situation hat sich übrigens bis heute nicht sehr geändert. Weiter ging es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das war damals noch sehr viel schlechter organisiert als heute. Ganz abgesehen davon, dass die Forderung im Raum stand, dass Erwerbsarbeit und Kinder grundsätzlich vereinbar sein müssten, und zwar nicht nur für Frauen.

Ganz alles stand zwar nicht still, aber was hat der Frauenstreiktag nachträglich gesehen bewirkt?

Er hat sehr viel bewirkt. Ich spreche von den Netzwerken, die sich da bildeten. Sie waren zum Teil nur für diesen Tag gebildet worden, aber sie haben sich erhalten. 1993 wäre die Wahl von Ruth Dreifuss zur Bundesrätin wahrscheinlich nicht zu Stande gekommen, wenn die Reaktionen auf die Nichtwahl von Christiane Brunner nicht so heftig gewesen wären. Ohne diese Netzwerke wäre die Reaktion nie möglich gewesen. Entscheidend waren die Netzwerke auch beim Gleichstellungsgesetz Mitte der 1990-er-Jahre. Damals wurde alles dereguliert, trotzdem ist es gelungen, das Gleichstellungsgesetz auf der parlamentarischen Ebene durchzusetzen.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

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