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Die Rentenreform 2.0 «Arena»: Kommt jetzt doch das höhere Rentenalter?

Nach dem Nein zur Altersvorsorge 2020 hat Sozialminister Alain Berset zum runden Tisch eingeladen. Aber wie soll eine neue, dringend notwendige Reform aussehen, damit sie vor den Stimmbürgern besteht?

Die Rentenreform wurde bei der Abstimmung vom 24. September abgelehnt. Der Reformstau vor allem bei der Finanzierung der AHV ist erheblich. Darum rückt jetzt die Erhöhung des Rentenalters in den Vordergrund.

Aber auf dieses richtig heisse Eisen wollen sich zu Beginn der Diskussion in der «Arena» die Vertreter der vier Bundesratsparteien nicht festlegen.

Tamara Funiciello, Präsidentin der Juso, traut diesem parteipolitischen Burgfrieden nicht, denn «ein mögliches Rentenalter 67 lag schon mehrmals auf dem Tisch».

Für Albert Rösti hat die Abstimmung klar gezeigt, dass eine Reform nur in kleinen Etappen realistisch ist: «Alter 65/65, Männer und Frauen gleich. Das wäre ein erster und mehrheitsfähiger Schritt.»

Funiciello appelliert aber dafür, eine kommende Reform unbedingt gesamtgesellschaftlich zu denken. Der Anteil an bezahlter Arbeit nehme ab, und so könne nicht die Hälfte der Bevölkerung gezwungen werden, ein Jahr länger zu arbeiten.

Dazu kommt für Rösti, dass in den vergangenen zehn Jahren 800'000 Menschen eingewandert seien und so zu Konkurrenten bei Arbeitsstellen wurden.

Petra Gössi hält dem die demografische Entwicklung entgegen: «In den kommenden Jahren werden sehr viel mehr Menschen in Rente gehen und diese Stellen müssen ersetzt werden.»

Hans Stöckli erinnert daran, dass mehr Frauen die «Altersvorsorge 2020» abgelehnt hätten als Männer. «Die Frage um eine Erhöhung des Frauenrentenalters ist darum sehr delikat.»

Mit der Ablehnung der Vorlage habe sich die Linke selber ins Bein geschossen, sagt Pirmin Bischof: «Das führt dazu, dass das Frauenrentenalter mit Sicherheit erhöht wird.» Als die AHV 1948 eingeführt worden sei, lag das Rentenalter bei 65/65. Erst später sei es für die Frauen herabgesetzt worden.

Silja Häusermann.
Legende: Expertin Silja Häusermann, Politikwissenschaftlerin Universität Zürich. SRF

Silja Häusermann wirft ein, dass die Reform gescheitert sei, weil sie zu wenig breit abgestützt war. «Das Hauptargument zum Nein war, dass die Reform unfair war – unfair gegenüber den Jungen und den Frauen.» Eine Reform habe nur eine Chance, wenn sie als ausgewogen wahrgenommen werde.

Neuer Anlauf für eine Rentenreform

Sozialminister Alain Berset hat zu einem runden Tisch mit allen Interessengruppen eingeladen. Die «Arena»-Redaktion hat die Reformvorschläge der vier Bundesratsparteien und der Juso visualisiert:

Die Reformvorschläge

Die SP will die AHV mit mehr Geld aus einer erhöhten Mehrwertsteuer und höheren Lohnbeiträgen finanzieren. Das Frauenrentenalter darf aber nicht erhöht werden.
Die SVP will die AHV mit mehr Geld aus der Mehrwertsteuer sanieren und das Rentenalter 65 für Frauen und Männer festlegen.
Die FDP setzt wie die SVP auf separate Reformen, zuerst die AHV, dann die Pensionskassen. Und de Umwandlungssatz muss gesenkt werden.
Die CVP will AHV und Pensionskassen gleichzeitig reformieren und Kompensationen vorsehen, damit die Renten auf keinen Fall sinken.
Die Juso will die Pensionskassen abschaffen und die AHV langfristig zu einer «Volkspension» umbauen.

Bei diesen Vorschlägen herrscht nach Ansicht von Bischof lediglich Einigkeit darüber, die Mehrwertsteuer zu erhöhen und die Renten in der AHV zu sichern.

Für Rösti zeigt sich aber die grosse Differenz zwischen den Vorschlägen von SVP und SP, entweder auf der Einnahmenseite mehr Mehrwertsteuer und mehr Lohnprozente einzukassieren. Oder aber auf der Ausgabenseite das Rentenalter zu erhöhen und einen Teil der Kosten aus dem bestehenden Mehrwertsteuer-Topf zu decken.

Bischof ist überzeugt, dass es eine Mehrwertsteuererhöhung braucht und laut Umfragen sei die Bevölkerung auch durchaus bereit für eine Erhöhung. Das wäre dann das «Demografie-Prozent», so Gössi. Also ein ganzes Prozent der Mehrwertsteuer, das direkt in die AHV, statt in die allgemeine Bundeskasse fliessen sollte.

Aber die Mehrwertsteuer sinkt!

Mit dem Nein zur «Altersvorsorge 2020» wurde auch entschieden, dass 2018 die Mehrwertsteuer um 0,3 Prozentpunkte sinkt. Das habe eigentlich niemand gewollt, sagt Bischof. Die IV-Zusatzfinanzierung durch 0,4 Prozentpunkten der Mehrwertsteuer läuft nämlich Ende Jahr aus. Ein «Mehrwertsteuer-Promille, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen» geht aber weiterhin an den Bahninfrastrukturfonds (BFI).

Die Ablehnung habe somit auch die glückliche Fügung, dass nun Steuern von 8 auf 7,7 Prozent sinken, betont Rösti. Auch wenn die Anpassungen für das Gewerbe einen Aufwand von rund 200 Millionen Franken verursachten, bringe das den Konsumenten eine Ersparnis von über einer Milliarde Franken im Jahr.

Tamara Funiciello, Präsidentin Juso.
Legende: Tamara Funiciello, Präsidentin Juso. SRF

Statt nun beim Bund anzuzapfen, möchte Funiciello beim üppig vorhandenen Kapital im Land ansetzen: Kapitaleinkommen sollten stärker besteuert und die Pensionskassen abgeschafft werden.

Ziel wäre es, aus der AHV eine «Volkspension» zu machen. «Ich bin nicht stolz auf das Drei-Säulen-Modell, weil derzeit Leute gezwungen werden, Geld einzuzahlen in eine zweite Säule, die unglaublich ineffizient ist», sagt Funiciello.

Sanierung der 2. Säule mit dem Umwandlungssatz

Für Bischof ist klar, dass die Diskussion um die 2. Säule wesentlich schwieriger sei als über die AHV. Denn in der Pensionskasse spare jeder für sich selber. Eine separate Vorlage für einen tieferen Umwandlungssatz, bei dem alle Neurentner eine um 12 Prozent kleinere Rente erhielten? «Viel Glück in einer solchen Abstimmung!» Das Volk habe das schon zweimal abgelehnt.

Aber der Umwandlungssatz müsse gesenkt werden, sagt Gössi, Bei einem tieferen Satz müsse mehr Geld auf dem Pensionskassenkonto liegen, damit es bis ans Lebensende reicht. Das gehe nur, wenn man mehr oder früher einzahle.

Ja, die «Leute zahlen insgesamt immer mehr ein und bekommen immer weniger zurück», bestätigt Stöckli. Er habe durchaus Verständnis, wenn dann jemand an der Urne sage: Nein, ich will das nicht.

Bei einer Volksabstimmung den Umwandlungssatz senken zu wollen, sei sicher wesentlich schwieriger, als eine Erhöhung des Rentenalters auf 65 bei Frauen durchzubringen, sagt auch Politologin Häusermann. Die Senkung des Umwandlungssatzes sei 2004 einmal gelungen, weil kein Referendum ergriffen wurde. Denn damals sei die Situation der Teilzeitangestellten deutlich verbessert worden.

Also doch besser 1. und 2. Säule miteinander sanieren?

Bischof findet es schlaumeierisch, die beiden Reformpakete AHV und BVG auseinanderzunehmen und die BVG-Reform nach hinten zu schieben. «Abstimmungstaktisch geht das vielleich auf, aber wir laufen dann bei der 2. Säule in ein Debakel.» Darum sollten beide Pakete gleichzeitig behandelt werden.

Auch Rösti sieht verschiedene Elemente im BVG, die sich ausbalancieren könnten. «Aber es darf einfach nicht mehr ein solcher Riesen-Moloch vors Volk gebracht werden, sonst gibt es wieder einen Absturz.»

Auch Gössi sagt, ihr sei auch zugetragen worden, «wieder mal einfachere Vorlagen zu bringen». Die Unternehmenssteuerreform (USR III) war zu kompliziert und auch in der Altesvorsorge 2020 gab es Details, bei denen die Stimmbürger keine Ahnung hatten, worüber sie abstimmten.

Genau darum sollten bei einer Reform die zwei Säulen nicht vermischt werden, sagt Rösti und: «Sie hören es nicht gern, aber ohne die Steuerung der Zuwanderung werden wir das Rentenproblem nicht lösen.» Worauf Gössi betont, dass es der AHV ohne die Zuwanderung noch viel schlechter ginge. «Aber diese Leute werden pensioniert», ärgert sich Rösti. «Es braucht in Zukunft noch mehr Geld für Renten.»

Wie sagte es schon vor der «Arena» Bundesrat Alain Berset nach dem Treffen mit Parteien und Verbänden zur Rentenreform 2.0: «Es herrscht Uneinigkeit über fast alles».

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