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Fehlbarer Lenker erhält Recht Strassen-Fahndungskameras im Thurgau sind illegal

Im Ostschweizer Kanton besteht keine ausreichende gesetzliche Grundlage zum Betrieb sogenannter Nummernscanner, sagt das Bundesgericht.

Diverse Nummernscanner der Thurgauer Polizei überwachen auf Kantonsstrassen und auf Autobahnen die vorbeifahrenden Autos. Die gescannten Nummernschilder werden innerhalb von Sekundenbruchteilen mit der Fahndungsdatenbank des Bundes abgeglichen. Wenn es einen Treffer gibt, nimmt die Kamera sofort Bilder des Fahrzeuges auf.

Bundesgericht pfeift Thurgau zurück

Damit ist im Thurgau jetzt vorerst Schluss. «Wir haben den Betrieb dieser Anlagen vorläufig eingestellt», sagt Andy Theler, Mediensprecher der Thurgauer Kantonspolizei. Das bedeutet, dass die Kameras ruhen müssen, bis im Thurgau eine gesetzliche Grundlage zum Betrieb der Geräte vorliegt. Stattdessen müssten jetzt mehr Verkehrsstreifen patrouillieren.

Grund für den Übungsabbruch ist das Bundesgericht. Es hat in einem Urteil festgestellt, dass im Thurgau keine ausreichende gesetzliche Grundlage zum Betrieb der Nummernscanner besteht.

Scanner-Aufnahmen gelten nicht als Beweis

Auslöser für das Urteil war ein Autolenker, der Ende 2016 gleich dreimal von einer dieser Kameras erfasst wurde, als er am Steuer sass, obwohl ihm der Führerausweis auf unbestimmte Zeit entzogen worden war.

Vom Thurgauer Obergericht wurde der Mann wegen verschiedener Delikte schuldig gesprochen, darunter wegen mehrfachen Fahrens ohne Berechtigung. Er wurde zu einer Busse und einer Geldstrafe verurteilt. Dagegen wehrte sich der Autolenker jetzt erfolgreich vor Bundesgericht.

Keine Scanner ohne gesetzliche Grundlage

Die Lausanner Richter schlagen die Tür für die automatische Fahrzeugüberwachung aber nicht gänzlich zu. Das Urteil lässt durchblicken, dass diese Fahndungsmethode mit ausreichender gesetzlicher Grundlage wohl rechtens wäre. Das gilt insbesondere für Aufklärung schwerer Straftaten.

Das sagt das Bundesgericht

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«Die automatische Fahrzeugerkennung bedeutet einen schweren Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäss Artikel 13 Absatz 2 der Bundesverfassung. Schwere Grundrechtseingriffe bedürfen einer klaren und ausdrücklichen Grundlage in einem formellen Gesetz. Für einen effektiven Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist insbesondere erforderlich, dass der Verwendungszweck, der Umfang der Erhebung sowie die Aufbewahrung und Löschung der Daten hinreichend bestimmt sind.»

Die Nummernscanner sind schweizweit nicht unumstritten – schon vor dem Bundesgerichtsurteil gab es dazu in mehreren Kantonen Diskussionen. So kaufte die Polizei in Baselland etwa ein solches Fahndungssystem, durfte es aber nach Bedenken des kantonalen Datenschützers erst Jahre nach dem Kauf anwenden.

Kantone müssen über die Bücher

Inzwischen werden Nummernscanner laut dem Fedpol von Polizeien in dreizehn Kantonen sowie von der Grenzwache eingesetzt. Das heutige Bundesgerichtsurteil bedeutet für diese Verkehrsüberwachung, dass die Kantonspolizeien und die Grenzwache jetzt überprüfen müssen, ob ihre gesetzlichen Grundlagen für deren Betrieb ausreichen.

Zürich verzichtet auf das systematische Scannen

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Kantons- und Stadpolizei Zürich reagieren auf das Bundesgerichtsurteil von dieser Woche. Die Zürcher Stadtpolizei bestätigt gegenüber dem SRF Regionaljournal für beide Korps: Alle im Kanton im Einsatz stehenden Scanner würden vorläufig nicht mehr eingesetzt – bis für Zürich die rechtliche Grundlage geklärt sei.

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