Der Sonderzug mit dem neu gewählten Bundesrat Ignazio Cassis war noch in der Deutschweiz unterwegs, da wartete schon Marco Boschetti am Bahnhof Bellinzona.
Im Dezember habe er Cassis ein Versprechen abgegeben, sagt Boschetti: Wenn Cassis Bundesrat werden sollte, würden fünf Blasmusiken aus der Region aufspielen. Cassis Antwort damals: Er werde nie Bundesrat. Jetzt aber ist Cassis Bundesrat – und Boschetti hat die Blasmusiken organisiert.
Innige Begegnungen
Ignazio Cassis steigt aus dem Sonderzug, er umarmt und grüsst die Anwesenden. Besonders innig ist die Begegnung mit dem letzten Bundesrat aus dem Tessin, dem inzwischen betagten Flavio Cotti.
Mehr als 18 Jahre habe es gedauert, sagt Cotti, bis das Tessin wieder im Bundesrat einziehe. Es sei eine unendliche Ehre, dass Cotti gekommen sei, antwortet Cassis.
In der Sonntagspresse der Lega dei Ticinesi hat die Jagd auf Cassis schon begonnen.
Die Mutter von Ignazio Cassis wartet im Rollstuhl auf ihren Sohn und findet kaum Worte. «Ich bin stolz und zufrieden. Dass ich mal einen solchen Tag erleben würde, hätte ich nie gedacht», sagt sie. Nun ändere sich das Leben für die ganze Familie.
Hohe Erwartungen
Sind denn alle im Tessin begeistert vom neuen Bundesrat? Darauf weiss Roberto Porta eine Antwort. Er ist Politikwissenschaftler und leitet die Inlandredaktion des Radios der italienischsprachigen Schweiz RSI. «In der Sonntagspresse der Lega dei Ticinesi hat die Jagd schon begonnen», sagt er. Cassis stehe unter verschärfter Beobachtung. Die Beziehungen zu Italien würden im Tessin besonders kritisch betrachtet und Cassis werde daran gemessen, ob er da Verbesserungen bringe oder nicht.
Die Erwartungen sind also hoch. Das Tessin hat nur einen Bundesrat und auch den nicht immer. Die Amtszeit von Ignazio Cassis muss eine Erfolgsgeschichte werden, weniger liegt nicht drin. Darin sind sich die Menschen in Bellinzona einig.