- Die Sicherheitsstandards in Schweizer Spitälern entsprechen häufig nicht den Erwartungen der Patienten.
- Das Erfassen und Melden selbst schwerer Fehler basiert auf Freiwilligkeit und wird oft unterlassen.
- Gemäss Schätzungen des BAG kostet dies jährlich 2000 bis 3000 Patienten das Leben.
Im Spital Männedorf geniesst die Patientensicherheit höchste Priorität. Vor jeder Operation wird ein Marschhalt eingelegt, wenn alles für den Eingriff bereit ist. «Die Idee ist, bewusst zu bremsen», erklärt Chefarzt Sven Staender. «Alle sollen innehalten und sich fragen: ‹Machen wir hier das Richtige?›»
Ein in der Schweiz seit Jahren etablierter Sicherheitscheck, der noch immer nicht überall konsequent umgesetzt wird.
In Männedorf soll aber auch offenes Kommunizieren über die Hierarchiestufen hinweg verhindern, dass es zu schweren Pannen kommt.
Solche passieren in Schweizer Spitälern häufig – auch weil diese sogenannten «Never Events» nicht gemeldet werden müssen. Für Chefarzt Staender unverständlich. «Wenn ein schwerer Schaden entstanden ist, müssen wird doch daraus lernen – und das Wissen muss anderen Spitälern zur Verfügung gestellt werden!»
Verheerende Konsequenzen
Doch das geschieht bis heute kaum. Auch existieren keine nationalen Daten zur Behandlungsqualität und Patientensicherheit.
Dafür gibt es Schätzungen – und die müssten aufrütteln: Das Bundesamt für Gesundheit BAG geht davon aus, dass 12 Prozent aller Patienten im Spital Opfer unerwünschter Ereignisse werden. Die Hälfte davon könnten vermieden werden. Und damit auch 2000 bis 3000 Todesfälle pro Jahr.
Die Stiftung Patientensicherheit hat den Auftrag, die Patientensicherheit zu verbessern. Doch Direktor David Schwappach registriert oft grosse Widerstände, wenn es um konkrete Massnahmen geht. «Patientensicherheit ist einfach keine Top-Priorität im ganzen System. Das fängt bei der Ausbildung an und endet bei den Auswahl- und Beurteilungskriterien von Verwaltungsräten und CEOs.»
In Männedorf werden jede Woche zwei bis drei Vorfälle erfasst und analysiert, die beinahe zu Schäden geführt hätten: im CIRS, dem «Critical Incident Report System». Zum Beispiel die falsche Beschriftung einer Infusions-Flasche.
Das Fehlermeldesystem CIRS wäre eigentlich eine gute Basis, um Erfahrungen national auszutauschen. Doch weniger als die Hälfte der Spitäler macht von dieser Möglichkeit Gebrauch. Denn das System ist freiwillig.
Umgang mit Fehlern oft unklar
Die Stiftung Patientenschutz kommt in einer Umfrage zum Schluss, dass Fehler in vielen Schweizer Spitälern noch immer als Tabu gelten und vielerorts systematisch totgeschwiegen werden.
Was den Stiftungsdirektor David Schwappach am meisten besorgt: «Nicht einmal bei den Ereignissen mit schwerer Schadenfolge gibt es in jedem Spital klare Prozesse, wie sie gemeldet werden, was dann damit passiert und welche Konsequenzen sie haben.»
Bei einem Drittel der Spitäler existieren solche Prozesse nicht einmal.